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Reskript des Herzogs von Württemberg 1632

Herzog Julius Friedrich von Württemberg1 befiehlt seinen weltlichen und geistlichen Bediensteten in 16 weltlichen Ämtern und Klosterämtern des südöstlichen Herzogtums (v.a. Schwäbische Alb) die Erhebung und den Einzug einer Brandsteuer für das im August 1632 zerstörte Knittlingen2.

Stuttgart, 18./28. Oktober 1632 (Abschrift)

Von Gottes Gnaden Julius Fri-
derich, Hertzog zu Wirtemberg etcetera,
Vormund unnd Admi-
nistrator3.

Unsern Gruß zuvor. Ehrsame liebe Getrewe, wir
können Euch nit verhaltten, in was laydigen Unnder-
gang unnd gäntzliche Ruin unnsers Vormunds Closters
Maulbronn Hauptfleckhen Knidtlingen mittwochs,
den 15. Augusti nechsthin, durch deß Ossawisch-
en Kriegsvolgs4 inn etlich tausendt starckh ohnver-
sehen beschehenen feindtlichen Ein- unnd Überfall gera-
then. Indeme mit Morden, Schießen, Stechen, Nider-
hawen unserer armen Vormunds Underthonen,
auch deßen dahin, von der ersten unnd annderen
Außwahl ettlicher benachtbarter Ämbter
commandierten Lanndvolgs, nicht wenniger
neben deme ihnen abgenohmmenen Raub, ihrs
zeittlichen Vermögens mit Sengen unnd Brennen
der Kirchen-, Schul- unnd Rahthauß, deßgleichen
obangeregten5 Closters aygenthumlichen Pfleghoffs6
sambt der Burgerschafft aygenen, zum Theyl stattlichen
Behaußungen, Scheuren unnd Stallungen, alles zu Grund
unnd Boden gerichtet worden. Dannenhero7 unnß sie zum
flehendtlichsten ersucht unnd gebetten, die gnädige
Verordnung zu thun, daß ihnen vermittlest einer
ergibigen Collect8 inn unnserem Vormunds Hertzog-
tumb zu annderwerttigen Unnderschlauffen9 unnd
sonnst ohnendtbehrender Nohtdurfft10 mittleydenlich
verholffen unnd zugesteurtt werde. Wann nun
dergleichen sonnderbare unnd hochlaydige Begegnußen
nicht alein möniglich tieff zu Hertzen tringen, sonndern auch
daß dannenhero billich endtstehende christliche  Mitt-
leiden dahin bewegen solle, gegen dißer so elendtlichen
ruinierten Gemeindt sich allso zu erweißen unnd die
Werckh der Barmherzigkeit reichlich scheinen zu laßen,
darab sie sich sonnders zu erfrewen, jederzeit danckh-
nämlich zu erkhennen, auch denn allmächtigen guth-
thätigen Gott umb reichliche Widervergeltung inn-
brinstiglich anzuruffen, immerwehrende Ursach haben.
Solchem nach ist auß gleichmäßigen,
gegen ihnen unnsern armen Vormundts Unnderthonen
tragenden gnädigen Mittleyden unnser gnädiger
Bevelch, ihr Speciales11 wollen verschaffen,
daß in der nechsten Sonntagspredig, von
Empfang gegenwertigen Rescripts anzurechnen,
dißer hochklägliche erinnerende Zustannd mehr-
gemeldter Gemeind zu Knidtlingen uff
allen Cantzeln inn Stätten unnd Ambtern
ewer anbefohlenen Superintendentz12 durch
die Kirchendiener denn Zuhörern euferig
zu Gemüet geführt. Der gerechte Zorrn Gottes
ernstlich vorbilldet, darneben sie zu müldern
unnd nothwenndigen Beyschuß, nach eines jeden Vermögen
unnd freywilligen christlichen Gemüeth, welches
die reiche Belohnung deß barmhertzigen allerhöchsten
Gottes in vil Weg ohnzweyfenlich unnd desto
mehr augenscheinlich erstatten wirt, erinnert
werden. Nicht weniger unnd zugleich auch ihr
samendtlich die Verfüegung thun, daß umb
beßerer Richtigkeit willen durch sonnderbare13, hier-
zu verordnete vertrawte Persohnen inn nechst-
kommenden acht Tagen hernach solche Branndsteur
in Stätten unnd Ambtsfleckhen von Hauß zu
Hauß eingesammlet. Alles so hin unnd wider von
den Unnderthonen gesteurt, alles gleich unnd or-
denlich specificiert14, von Euch allsdann, wann
sellbige allerdings beysahmen, neben nechst er-
wendter Specification unnd Sorttenzettel15
unnsern Vormunds Kirchencastensverwalttern
bey unnserer Cantzley zu Hannden uberschaffet.
Gedenckhen wir vollgendts durch abgehenden Be-
velch diße weittere Anstaltt zu machen,
daß mit solcher zusahmengebrachter Collect
gebürend verfahren, die von jedem erlittner
Brannd- unnd annderer Schäden wohlerwogen,
allsdann alles proportionaliter16 unnder sie,
Erarmbte unnd Verbrandte, außgetheyldt
werde. An deme geschicht unnser gnädige zu-
verläßige Mainung. Datum Stuotgardt,17
den 18. Octobris anno 1632.

Ex speciali commissione.18

Daniel Buwinckhaußen19

Simon Ahin, Doctor20

Denn ehrsamen, unnsern Vormunds Specialn,
Superintendenten, Pfarrherrn, Vögten, Closters-
verwalttern, Hoffmaistern, Ambtmann,
zue: Neuffen,21 Urach,22 Pfullingen,23 Offenhaußen,24
Mennsingen,25 Steißlingen,26 Pflummern,27 Blaw-
beyren,28 Haydenhaim,29 Königsbronn,30 Anhaußen,31
Herrbrechtingen,32 Hewbach,33 Göppingen,34 Adelberg,35
Kirchhaim,36 unnd lieben Getrewen nullum nomen37
sambt unnd sonders etcetera.

Neüffen am ersten zu erbrechen38, allsdann nach
jedesmahls genommner Abschrifft deß Original
von Ortt zu Ortt ohnverzüglich forttzu-
schickhen etcetera.


1 Württemberg, Julius Friedrich Herzog von

<https://de.wikipedia.org/wiki/Julius_Friedrich_(W%C3%BCrttemberg-Weiltingen)> (03.01.2023).

2 Stadt Knittlingen PF.

3 Bedeutung: „Vormund unnd Administrator“ = Rechtsvertreter und Verwalter.

4 Truppen des Ossa, Wolf Rudolf von (um 1574–1639), kaiserlicher General; vgl. <https://www.30jaehrigerkrieg.de/ossa-wolf-rudolf-freiherr-von-2/> (03.01.2023).

5 Bedeutung: oben genannten.

6 Pfleghof. Als Pfleghof wurde im Mittelalter und in der frühen Neuzeit der Wirtschaftshof eines Klosters bezeichnet, der sich in einer größeren Ansiedlung – meist einer Stadt – befand.

7 Bedeutung: deshalb, folglich.

8 Sammlung, Kollekte.

9 Wörtlich: Unterschlupf; hier sinngemäß: Notunterkunft.

10 Bedeutung: zum Leben Unentbehrliches, notwendigster Bedarf.

11 Amtsinhaber eines Spezialats, heute Dekan.

12 Aus dem Lateinischen (wörtl.: Aufseher); hier: hoher kirchlicher Würdenträger, Inhaber eines Leitungsamtes in der evangelischen Kirche.

13 Bedeutung: besondere, speziell ernannte.

14 Aus dem Lateinischen; Bedeutung: im Einzelnen dargelegt, detailliert aufgeführt.

15 Kaufmannssprache; Bedeutung: Liste, auf der die lieferbaren Waren (mit Preisen) verzeichnet sind.

16 Bedeutung: verhältnisgleich, den Bedürfnissen entsprechend.

17 Stadt Stuttgart S.

18 Lat. =  in besonderem Auftrag (wörtl.: aus besonderem Auftrag heraus).

19 Bouwinghausen von Wallmerode, Daniel, 1600/01 bis mind. 1634 württembergischer Geheimer Rat und Oberrat (Pfeilsticker, Walther: Neues Württembergisches Dienerbuch. Band 1, Stuttgart 1957, § 1116, 1192).

20 Ayhin, Dr. Simon, verst. 1637, württembergischer Gelehrter Oberrat 1597–1604, 1612/13 und 1619–1637 (Pfeilsticker, Walther: Neues Württembergisches Dienerbuch. Band 1, Stuttgart 1957, § 1205).

21 Stadt Neuffen ES.

22 Stadt Bad Urach RT.

23 Stadt Pfullingen RT.

24 Offenhausen, Gemeinde Gomadingen RT.

25 Münsingen RT.

26 Weilersteußlingen UL.

27 Pflummern, Stadt Riedlingen BC.

28 Stadt Blaubeuren UL.

29 Stadt Heidenheim an der Brenz HDH.

30 Königsbronn HDH.

31 Anhausen, Stadt Herbrechtingen HDH.

32 Stadt Herbrechtingen HDH.

33 Stadt Heubach AA.

34 Stadt Göppingen GP.

35 Adelberg GP.

36 Kircheim unter Teck ES.

37 Lat. = Namen nicht genannt.

38 Bedeutung: „Neüffen am ersten zu erbrechen“ = dieses in Neuffen zuerst auszurufen/umzusetzen.

Quelle Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 502 Bü 312
Die Wiedergabe der Transkription folgt der Originalquelle buchstaben- und zeilengetreu.