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Rentkammerrat Resch an Herzog von Württemberg 1632

Der Rentkammer-Rechenbanksrat Ludwig Resch1 berichtet dem württembergischen Herzog über die Kämpfe bei der Verteidigung Knittlingens2 am 15./25. August 1632 sowie über die darauf erfolgte Zerstörung des Ortes. Weiterhin schildert Resch die zuvor stattgefundenen Ereignisse um die Besetzung der Stadt Bretten3 in der unmittelbar angrenzenden Kurpfalz.

Maulbronn, 16./26. August 1632 (Ausfertigung)

Durchleichtiger hochgebohrner etcetera gnediger
Fürst unnd Herr. Euer Fürstliche Gnaden solle ich uff
Andeüttung deroselben Renntcammer4 Se-
cretarii Hannß Jacob Schmidlappen5 denn Ver-
lauff mit Knittlingen berichten. Darbei vor-
derst underthönig bittendt, in Ungnaden nit
anzueziehen, das die Relation von mir nit
ohnervordert einkommen. Seitemahlen aber
der schnelle, ohnversehene gewalttsame Über-
fall, wellchen andern Sachen nach zue gedenckhen.
Auch was massen6 uff ferer Feindthätlichkeitt
die Gegenanstaltten umb die maulbronnischen
Grenitzen unnd Örtter zue machen, sollches nit
zuelassen wollen. So verhoffe ich, deßentwegen
inn Gnaden für entschuldiget gehaltten zue werden.
Bevorab Herr Obrister-Wachtmeister unnd ich eben
disen Nachmittag in Gedanckhen begriffen gewesen,
daßelbige mit umbständlicher7 Beschreibung under-
thönig zu überschickhen.

Unnd verheltt es sich darmit nachvolgender Ge-
staltten. Allß verschinen Monntag der Feindt
für Brettheim geruckht und die darinn gelegene
Garnison under dem Commando des Leütenants-
Capitains Großen durch Betrowung so weitt ge-
bracht, das er disen Posten ohne einigen gethonen
Widerstandt übergeben und sich durch die Flucht
salviert, woruff ervolgt,
das die Staatt, wie bereiths bewußt, allerdings
rhein außgeplündert, der Statt-Thor abgehebt
und verbrennt, auch die belegte Bruckhen abge-
worffen worden. Und hienach gestern, Mittwoch,
von Brettheim abgezogen, zwischen Brettheim unnd
Heydelßheim8 uff dem Veldt bei Diedelßheim9 und
Gundelßheim10 das Randevoi gehaltten11, von dannen
mit der Reitterei in denn Waldt zwischen Brettheim
und Derdingen12, der Baurbacher13 Waldt genannt,
dem Fueßvolckh aber gegen Brueßel14 geruckht.
Unnd hatt sich die Reütterey, deren in die 30
Cornet15 geweßt, biß gegen Abendt ohnvermerckht
darinnen uffgehaltten. Dann obzwar Herr
Obrister-Wachtmeister für sich selbsten uff die
Recognition unnd gar inn die Statt Brettheim
außgezogen, in Meinung vonn dem Tross und
Nachzug Gefangene einzueholen, vonn dennselben
des Feindts Vorhaben innen zue werden.
Es ist aber aller Ortten so still gewesen, das
mann nicht allein nichzit vonn demselben
verspührt unnd vermerckht, sonndern auch
von denn gehalttenen Correspondentzen16 und außge-
schickhten Kundtschafften nichzit zur Nachrichtung
haben können. Biß gestern Nachmittag nach 4
Uhren ist er disen Ortt Knittlingen mit 15 Cornet
Reüttern unnd 1500 Mußquetierern angefallen,
gantz umbringt, mit ganntzer Gewaltt in Posten
getrungen, dennselben an dreyen Ortten
inn Brandt gesteckht. Die beede Maulbronner
unnd Lauffamer17 darinn gelegene Compagnia
haben neben der Burgerschafft ihr Gegendefen-
sion gnuegsam gethon. So hatt mann sie auch
gleich vonn dem Closter auß mit 300 Muß-
quetierern entsetzen wollen. Weilen aber von
der Reitterei die Staig verlegt gewesen, hatt
mann auß Manngel der Reütterei und des
Geschützes nichzit außrichten können, sonndern
allein dahin zu gedenckhen gehabt, wie ferner
Anfall bei der Knittlinger Schantz und der
Derdinger Staig zue manutinieren. Der Obriste-
Wachtmeister hatt sich in vihl Weeg mit Lermen-
machen und Salveschiessen versuecht, dem Feindt
Abbruch zue thun, hatt aber laider nichzit ab-
gehen wollen. Alls diser Ortt über allen
gebrauchten Vleiß unnd angewennte Mittel
ohnmüglich zue salvieren18 gewesen. Allein ist
durch sein, Obristen-Wachtmeisters, instendig
Lermenmachen unnd Salveschiessen endtlich
in denn Feindt ein sollche Forcht gerathen,
das er vonn seinem vorgehabten Anfall uff
das Closter Maulbronn abgestanden unnd sich
widerumb in Brettheim retrahiert19 und
darzu in eylender Flucht vihl Gefangene wider
ledig lauffenlassen müeßen. Anhenito20 ist er
zwar wider darauß abgezogen, laßt sich aber
doch im Veldt vonn underschiedlichen Troppen
Reütterei unnd Fueßvolckhs noch sehen. Dar-
wider sein die obbemelte Ortt, die Knittlinger
Schantz unnd Derdinger Staig, also besetzt unnd
versehen, das mann uff allen Fall getraut,
darinn genuegsamen Widerstandt zue thuen, biß
die völlige21 Armee sich gegen unns nehern würdt.
So noch heütt Abendts, wie Obriste Schafelitzkhi22
avisiert, zwischen Pfortzheim und Maulbronn
beschehen solle, da dann verhoffenlich nach Gottes
Willen der Sachen würdt weitter Recht geschaffen
werden. Aber sicher unnd wahr ist, wann
der obgenannte Leütenant Brettheim nur noch
umb ettwas gehaltten unnd des vertrösten
Entsatzes vonn 400 Musquetierern erwarttet
hette, so hette diser laidiger Anfahl über
Knittlingen wohl verhindert pleiben könnden.

Sonnsten ist der Ort an sich selbsten in der Zarg23
außgebrennt und ganntz in die Äschen gelegt.
Alle Mobillien und Wintterfrucht bei der Pfleeg
unnd Privatis24 zuegrundtgangen. An Burgern und
Soldaten thuen ettliche ermangeln, ob sie aber
inn der Prunst verdorben oder vonn dem Feindt
nidergehawen worden, waiss mann nit. Ettliche
seind übel zuegericht, ettliche aber übel ver-
wundt und zerhackht. Bei dem doch guetten Theils
kein Lebensgefahr.

Den Specialem25 haben sie zeittlich wie auch inn
wehrendem Scharmitzieren26 des Obristen Wachtmeisters-
Leütenant gefangen weeggefiehrt. Wie es mit
ihnen ergehen und wohin sie noch kommen werden,
kann mann nichzit erfahren.

Wellches Euer Fürstliche Gnaden ich in Eyl obgelegener Schuldig-
kheitt noch underthönig anfüegen und dero zue
beharlichen27 Gnaden mich gehorsamlichen ergeben.
Datum Maulbronn, den 16ten Augusti anno 1632.

Euer Fürstliche Gnaden

underthoniger gehor-
samer und verpflichter

Ludwig Resch


1 Resch (Rösch), Ludwig, württembergischer Rentkammer-Rechenbanksrat 1632–1634 (Pfeilsticker, Walther: Neues Württembergisches Dienerbuch. Band 1, Stuttgart 1957, § 1702).

2 Stadt Knittlingen PF.

3 Stadt Bretten KA.

4 Als Rentkammer, Hofkammer, Kammer, Kastenamt oder Rentei wurden im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit Behörden bezeichnet, die Einkünfte des Landesherrn verwalteten.

5 Schmidlapp, Johann Jakob, 1591–1635, württembergischer Rentkammersekretär 1625–1635 (Pfeilsticker, Walther: Neues Württembergisches Dienerbuch, Band 1, Stuttgart 1957, § 1736f.).

6 Bedeutung: angemessen, hinreichend.

7 Bedeutung: sehr genau, detailliert.

8 Heidelsheim, Stadt Bruchsal KA.

9 Diedelsheim, Stadt Bretten KA.

10 Gondelsheim KA.

11 Bedeutung: „das Randevoi gehaltten“ = sich getroffen haben.

12 Oberderdingen KA.

13 Bauerbach, Stadt Bretten KA.

14 Stadt Bruchsal KA.

15 Fähnrich (Fahnenträger).

16 Berichterstatter.

17 Stadt Lauffen am Neckar HN.

18 Bedeutung: gewinnen.

19 Bedeutung: zurückziehen.

20 Bedeutung: anschließend.

21 Bedeutung: komplette.

22  Vermutlich: Schaffalitzky von Muckadell, Bernhard

<https://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_Schaffalitzky_von_Muckadell>(03.01.2023).

23 Umfassungsmauer, hier: Stadtmauer.

24 Bedeutung: „bei der Pfleeg unnd Privatis“ = in herrschaftlichem und privatem Besitz.

25 Amtsinhaber eines Spezialats: Dekan, Pfarrherr. Gemeint ist: Nicolai, Ulrich <https://www.wkgo.de/personen> (03.01.2023).

26 Bedeutung: „inn wehrendem Scharmitzieren = beim abwehrenden Scharmützeln; sinngemäß: im Zuge des Verteidigungsgefechts.

27 Bedeutung: beständig, bleibend, dauerhaft.

Quelle Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 90 B Bü 22, Nr. 104 J
Die Wiedergabe der Transkription folgt der Originalquelle buchstaben- und zeilengetreu.