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Rentamtsprotokoll für die Stadt Eppingen 1629

In seinem Rentamtsprotokoll1 berichtet der kurpfälzische Rentmeister zu Heidelberg2 Hans Sigmund Puecher3 nach seinem Umritt4 in den vier unterpfälzischen5 Ämtern Boxberg6, Bretten7, Heidelberg und Mosbach8 über das Gerichts-, Kirchen- und Finanzwesen der im Amt Bretten („Brettheim „) gelegenen Stadt Eppingen9. Im Detail geht es vor allem darum, dass die Rechnungen insgesamt schlecht belegt und nicht ordnungsgemäß unterzeichnet sowie zu hohe Spesenrechnungen aufgelaufen seien, weshalb man künftig eine Reduzierung bzw. Deckelung der Geldsummen für privilegierte Zahlungen verordnen werde. Im Bereich des Bäcker- und Metzgerwesen sei es zu Betrügereien durch Manipulation der Gewichte beim Abwiegen der Waren gekommen, was aber entsprechend geahndet worden sei. Die Jahresabschlussrechnungen und Abschlagszahlungen, die bis dato traditionell am Sankt-Martins-Tag (11. November) fällig waren, sollten künftig erst am Neujahrstag (1. Januar) anfallen; Klagen und Beschwerden von Seiten der Bürgerschaft gebe es kaum, lediglich der Pfarrer bemängelt, dass der Gottesdienst und der Schul- bzw. Religionsunterricht kaum besucht würden.

Ohne Ort, August/September 1629

Statt Eppingen

Alda hat es einen Collectorn10, so zugleich
Schuldeß;11 ist derzeit Peter Neß12 von
Prußl13.

Donnerstag, den 6ten September, hat man zu
Eppingen im Stettl, beywesent14 deß Ambtschuldtheißen
zu Brettheim, die gemeine Puncten gleicher Gestalt noch-
einst durchgangen,15 so sich deme wie zu Brettheim ganz
gleich befunden. Unnd ist sonsten diser Statt Gerechtsame
unnd Freyheit mehrertheils in deme beim Oberambt vor-
handenen Legerbuch16 zu finden, dahin sich kürz halber refe-
rirent17.

Hierauf seindt die Stattrechnungen abgehört18
worden, so sich volgender Gestalt
befunden.

Rechung de anno 1625

Einnamb  1.985 [Gulden] 11 Bazen 8 [Pfennig]
Außgab 1.312 [Gulden] 2 Bazen 11 [Pfennig]
Receß19    673 [Gulden] 8 Bazen 13 [Pfennig]

 

Rechnung anno 1626

Einnamb 2.410 [Gulden] 2 Bazen 11½ [Pfennig]
Außgab 1.467 [Gulden] 2 Bazen 13 [Pfennig]
Recess 942 [Gulden] 14 Bazen 15½ [Pfennig]

 

Rechnung anno 1627

Einnamb  1.297 [Gulden] 12 Bazen 2 [Pfennig]
Außgab  1.162 [Gulden] 11 Bazen 10 [Pfennig]
Recess 135 [Gulden] – 8 [Pfennig]

 

Rechnung 1628

Einnamb 1.712 [Gulden] 3 Bazen 13 [Pfennig]
Außgab  1.549 [Gulden] 1 Bazen 1 [Pfennig]
Receß     163 [Gulden] 2 Bazen 12 [Pfennig]

 

Frücht-Rechnung

An gemischt pleibt zu Receß 29 Malter20 5 Simere21

Gersten  1 Malter
Dinckel    – 8 Simere
Habern 88 Malter 2½ Simere
Wein – 2 Ohm22 5 Virtl

 

Verbescheidung23 über dise abge-
hörte Rechnungen

  1. Obzwar erstlich bey disen Rechnungen über theils Posten
    Urkhunden beygelegt, seint jedoch dieselbe, obß24 bezahlt,
    nit unnderschrieben. Sollen derentwegen künfftig jedeß-
    mahls unnderschrieben werden.
  2. Weil sich auß den Rechnungen befindet, daß ein großer
    Überfluß an Zehrungen25 ufgangen, dahero man wol Ursach
    gehabt, eines Theils außzusezen26. So will manß aber für diß-
    mahls dabey bewenden laßen. Sollen aber künfftig beßer
    eingezogen unnd zur Außsezung nit Ursach geben werden.
  3. Demnach die Statt bey die 16.000 [Gulden] Capital schuldig. Alß
    soll der Rath ein ordentliche Verzeichnuß, woher sie rüren,
    zu waß Zeit, in welchen Jahr unnd vonn wehme sie entlehnt,
    auch wohin wider verwendt worden, begreiffen27, zur churfürstlichen
    Regierung überschickhen unnd weßen sie sich mit Abstattung
    deren, auch Reducirung der noch übrigen hochen Gelter28 zu ver-
    halten, umb Resolution29 bitten, interim30 aber mit Abzahlung
  4. Obwoln der Rath die gemeine Beckher- unnd Mezger-
    straffen bißhero für sich allein eingezogen, so befindt
    sich jedoch hiebey ein großer Mißbrauch, indem nemb-
    lich gemelter Rath auch sogar die Verfelschung deß Ge-
    wichtß31 abstrafen unnd einzihen will. Welches aber alß
    ein hoches Verprechen allein der Herrschafft zu straffen
    unnd einzuziehen gebürt. Dahero dann erwentem Rath
    uferlegt worden, sich fürbaß diser unnd anderer dergleichen
    Straffen, so der Herrschafft gebühren, zu enthalten unnd
    sich disfals allein nach dem Legerbuch zu richten.
  5. Weil die anno 1626 p. resto32 schuldig verbliebene 942 [Gulden]
    14 Bazen 15½ [Pfennig], wie auch die in anno 1627 restirende33
    135 [Gulden] 8 [Pfennig] nit widerumen in den darauf volgenden
    Rechnungen zur Einnamb komen, sondern ganz außgelaßen
    worden, alß ist der Befelch, daz künfftig hierüber wie
    unnd welcher Gestalt angeregte Receß eingebracht und
    angelegt, sonderbare Rechnungen gehalten und neben der
    ordinari34 Jahrs-Rechnung beygelegt werden solle.
  6. Die Rechnung so uf Martini35 auß- unnd angehen, sollen
    künfftig, da es ohn sonderbar Bedenckhen sein kan36, uf
    den Neuenjahrstag gericht werden.
  7. Dem Rath unnd Stattschreiber ist befohlen worden,
    die Vormundtschafft- unnd Spittalsrechnungen sambt-
    lich unnd mit negstem37 zu verfertigen. Auch durch daz
    Oberambt dem Herkhomen nach abhören zu laßen, die
    befindtliche Mengel zu emendiren38, unnd waß ihnen zu schwer,
    an gebührende Orth zu verweisen. Auch die Pupillen39 mit
    ohnnötigen Costen nit zu beschweren.

Nota. Diß Ortts ist daz Kälterhauß40 der Statt zuständig.
Haben auch den Kelterwein davon, so sie von alterß also
herpracht.

Uff dem Ottilienberg hat es noch ein Kirchen. Dabey
hie bevor ein Bruder gewohnt, aniezo aber der Forst-
knecht besizt. Unnd nimbt selbiger Pfrundtgefell41 der
Collector42 zu Eppingen ein.

Die Frevellthaidtigung43 ist vorgenohmen worden unnd haben
sich die abgestraffte Frevel uf 213 [Gulden] 3 [Kreuzer] beloffen.

Gleichergestalt ist auch die neü Schazungsbelaag44 den Bürgern
vorgelesen worden, so darmit content und zufriden45 gewesen.

Nota. Stoffel Fridrich von Mülbach46 hat neben den Soldaten
helffen plündern. Ist vom Rath umb 10 [Gulden] gestrafft worden, aber
nit in daß Frevellregister komen. Dahero der Herrschafft ihr
Straff noch bevor unnd soll bey negster Frevelthaidtigung noch
vorgestelt werden.

Weiters ist der Rath befragt worden, wie sich ihr Pfarrer ver-
halte. Sagten, hetten keine Clag wider ihn. Sey noch nit lang
olda47. Hab sich biß dato noch wol verhalten.

Entgegen aber beclagt sich der Pfarrer, daß sowol die Alten
alß Jungen in Besuchung des Gottsdinsts unnd Kinderlehr
sehr treg unnd faul48 seyen. So dem Rath unndersagt und
zu mehrerm Fleiß adhordirt49 worden. Deme sie dann
nachzukomen versprochen.

Unnd weil man befunden, daß die Pfarr Mühlbach noch
zur Zeit mit keinem ordenlichen Pfarrer versehen, alß
ist Collectori befohlen worden, den Anstalt zu machen50,
damit disfals die Notturfft verfügt werde51.

Leztlichen beclagt sich der Rath, daß anno 1626 daz
Holzfuhrlohn zur Schul abgeschafft worden. Were Baden
unnderthänig, weil sie daz Holz hergeben, daz von der Collectur52
der Fuhrlohn wie von alters wider möchte entricht werden.
So auch ihme Collectori also zu thun befohlen worden, jedoch
mit eingezogenem Costen.

Von dannen auß53 wider uf Heydelberg gezogen unnd alda
biß uf den 12. Septembris die darzwischen einkohmenne Ambts-
sachen unnd anders verrichtet unnd den 13. wider aufgebrochen
unnd uf Boxsperg gereist.


1 Rentamt ist seit dem Spätmittelalter die Bezeichnung für die Behörde der landesherrlichen oder kirchlichen Finanzverwaltung unter der Leitung eines Rentmeisters oder Rentamtmanns.

2 Stadt Heidelberg HD.

3 Puecher, Hans Sigmund, 1628–1632 Rentmeister der von Bayern besetzten unteren Pfalz in Heidelberg (Maier, Franz: Die bayerische Unterpfalz im Dreißigjährigen Krieg. Besetzung, Verwaltung und Rekatholisierung der rechtsrheinischen Pfalz durch Bayern 1621 bis 1649, Frankfurt/M. u.a. 1990, S. 586).

4  Umritt bezeichnet ursprünglich die Inbesitznahme eines Gebietes durch Umreitung, womit die Reise eines neuen Herrschaftsinhabers durch alle oder zumindest die meisten Reichsteile gemeint ist (zwecks Huldigung des Landesfürsten).

5  Die Unterpfalz, im 17. Jahrhundert Bezeichnung für die rheinischen Gebiete des damaligen Kurfürstentums Pfalz (Kurpfalz), als Unterscheidung zur Oberpfalz in Bayern. Die damalige Unterpfalz umfasste etwa die geografische Pfalz, Rheinhessen und Nordbaden, mit den Residenzen in Heidelberg, Mannheim und Schwetzingen. Im Dreißigjährigen Krieg stand der rechtsrheinische Teil der Unterpfalz unter bayerischer, der linksrheinische Teil unter spanischer Besatzung und Verwaltung.

6 Stadt Boxberg TBB.

7 Stadt Bretten KA.

8 Stadt Mosbach MOS.

9 Stadt Eppingen HN.

10 Bedeutung: „Collector“ = Leiter der Rechnungsstelle einer Behörde, Geldverwalter.

11 Übersetzung: „Alda hat es einen Collectorn, so zugleich Schuldeß“ = Ebendort [in Eppingen] gibt es einen Rechnungsstellenleiter/Geldverwalter, der zugleich Ortsvorsteher ist; […].

12 Neß, Peter, Schultheiß und Kollektor zu Eppingen.

13 Stadt Bruchsal KA.

14 Bedeutung: „beywesent“ = im Beisein [des Amtsschultheißen].

15 Übersetzung: „die gemeine Puncten gleicher Gestalt nocheinst durchgangen“ = die allgemeinen Punkte gleichermaßen noch einmal durchgegangen.

16 Bedeutung: „Legerbuch“ = Besitzverzeichnis, Katasterbuch.

17 Bedeutung: „referirent“ = berichtend.

18 Bedeutung: „abhören“ = etwas (Vorgetragenes) auf seine Richtigkeit überprüfen, (besonders: Rechnungen) abnehmen.

19 Bedeutung: „Receß/Recess“ = Abweichung, Schwund.

20 Bedeutung: „Malter“ = regional unterschiedlich berechnetes altes Getreide-und Kartoffelmaß.

21 Bedeutung: „Simere/Simeri“ = ein altes süddeutsches Hohlmaß zum Abmessen von Getreide und Hopfen, das Volumen variierte lokal.

22 Bedeutung: „Ohm“ = Volumeneinheit, die sich vom lateinischen Namen des Eimers, „ama“, ableitet.

23 Bedeutung: „verbescheiden“ = eine verbindlich gemeinte Entscheidung treffen, in einer Sache entscheiden; (gerichtlich) zusprechen, zuerkennen.

24 Bedeutung: „obß“ = obwohl.

25 Bedeutung: „Zehrung“ = Nahrung, Essen (speziell für die Reise und in Herbergen), Reisegeld/Zehrgeld.

26 Bedeutung: „außsezen“ = verschieben, vorübergehend unterbrechen.

27 Bedeutung: „[ein ordentliche Verzeichnuß] begreiffen“ = [ein ordentliches Verzeichnis] auf- bzw. vornehmen.

28 Bedeutung: „Reducirung der […] hochen Gelter“ = Reduzierung der […] Geldsummen für privilegierte Zahlungen (z. B. Spesen).

29 Bedeutung: „Resolution“ = schriftlicher Erlass, Verordnung, Statut.

30 Lat. = inzwischen, unterdessen, in der Zwischenzeit.

31 Bedeutung: „die Verfelschung deß Gewichtß“ = Betrug beim Abwiegen einer Ware durch Manipulation der Waage.

32 Lat. = als Restposten, als noch ausstehende Summe.

33 Bedeutung: „restirende“ = übrig gebliebene, geschuldete.

34 Bedeutung: „ordinari [Jahrs-Rechnung]“ = die gewöhnliche/übliche [Jahresrechnung].

35 Bedeutung: „uf Martini“ = am Martinstag (11. November); der Tag des heiligen Martin von Tours (11. November) war der Termin für Abgaben, Rechtsgeschäfte und Geschenke.

36 Übersetzung: „da es ohn sonderbar Bedenckhen sein kann“ = da dies ohne spezielle/individuelle Bedenken/Hinderungsgründe machbar ist.

37 Bedeutung: „sambtlich unnd mit negstem“ = vollumfänglich und schnellstmöglich.

38 Bedeutung: „emendiren“ = berichtigen.

39 Bedeutung: „Pupillen“ = Mündel, Waisen.

40 Bedeutung: „Kälterhauß“ = Kelterhaus; Gebäude, in dem die Kelter steht.

41 Bedeutung: „Pfrundtgefell“ = Pfrund = Lohnsteuer (in Naturalien), Unterhaltsabgaben (von „Pfrundt = Lohn in Naturalien, nötige Nahrung, Unterhalt und „Gefell“ = Abgabe, Einnahme, Einkommen, Steuer, fälliger Zins).

42 Bedeutung: „Collector“ = Leiter der Rechnungsstelle einer Behörde, Geldverwalter.

43 Bedeutung: „Frevellthaidtigung“ = Gerichtsprozess(-Kostenabrechnung).

44 Bedeutung: „Schazungsbelaag“ = Steuerveranlagung.

45 Bedeutung: „content und zufriden“ = = einverstanden und zufrieden.

46 Mühlbach, Stadt Eppingen HN.

47 Bedeutung: „olda“ = am Ort.

48 Bedeutung: „treg und faul“ = träge und faul.

49 Bedeutung: „adhordiren = anmahnen, antreiben.

50 Übersetzung: „den Anstalt zu machen“ = in die Wege zu leiten.

51 Übersetzung: „damit disfals die Notturfft verfügt werde“ = damit in diesem Fall der Notwendigkeit Genüge getan werde, das Notwendige unternommen werde.

52 Bedeutung: „Collectur“ = Sammlung, Finanzwesen.

53 Bedeutung: „von dannen auß“ = von dorther, von da aus.

Quelle Generallandesarchiv Karlsruhe 61 Nr. 6165, fol. 20–22
Die Wiedergabe der Transkription folgt der Originalquelle buchstaben- und zeilengetreu.