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Pforzheimer Kriegskommissar an kaiserlichen Generalkommissar 1635

Der Pforzheimer1 Kriegskommissar Hans Wolf Pelkover2 gibt dem Generalkommissar der kaiserlichen Armee Hans Christoph Freiherr von Ruepp3 schriftlich Rechenschaft ab über die bisherigen Zahlungen an Lösegeldern und Kriegssteuern, die für die kaiserlichen Truppen erhoben wurden und beklagt, dass die ortsansässigen Bürger von den Aufwendungen, die er persönlich ihnen geliehen hat, bisher nichts zurückgezahlt hätten, obwohl es sich viele leisten könnten. Ferner listet er detailliert auf, welche Kosten für Brot bzw. Getreide, Wein und Kriegsmaterial entstanden sind. Eine Verkündung des baldigen Abzugs der vor Ort lagernden Truppen betrachtet er als äußerst hilfreich, da die Bevölkerung aufgrund der Belastungen zunehmend mit Trotz und Ungehorsam reagiere.

Pforzheim, 19./29. Mai 1635 (Ausfertigung)

Wollgebornner Freyherr, insonnders hochgeerter
gnädiger Herr Obristen.

Sein Schreiben hab ich zu Recht empfanngen4, daruf
alsobalden die Anstaldt gethon, daz noch heut Nacht
8.400 Brott gebachen unnd den ankhommenden Herrn
gegeben werden khünen.

Der hieigen Burgerschafft Beschwer nussen vernimb ich
alle Tag, aber […] ganz unnd gar daruß nit zu sehn[?]
unnd wisslich, daz vill darunnder sein, die nit allein
diser, was sy angelegt, sonndern ein merers geben
khinden.5 Unnd hat mein gnädiger Herr zur Nachricht
hiemit zu vernemmen, daz sye bißhero an der Ranzion6,
sogar auch das jenige, was ich innen zu Abzallung des
Pappenheimischen7 Regiments Contribution8, dan zu
Conventirung9 der Proviant-Officir von dem meinigen
gelihen, sowohln umb 6.000 etlich Hundert vorgelichens
Brott, so in allem über 1.200 [Gulden] trifft, ganz nichts
bezalt. Ob ich schon die negsten 4 Wochen hero von
innen merers nit als jede 300 [Gulden] bekhommen, seyen
doch solche alle uß 50.000 Kugln Pley, 100 Cenntner
Lunden unnd 200 Gschür erganngen, daz sy mir also
noch ein starckhes, hinterstellig Verbleiben und von
innen bei so gestaldten Sachen lang saumbig bezalt werden
khan.

Die Auswexlung des Weins gegen Früchten betreffend, 
hab ich meinen Hofmaister zu Horb10 gehebt, welcher
mir alda zwey Pferdt erkhaufft unnd mit theils so-
weit gehandlet, daz sye daz Schäffel11 Dinckhel per[?] 5,
Roggen 8 und Waüzen 9 [Gulden] gegen Wein volgen
lassen wollen. Also hab ich nit underlassen, dem
Obrist-Leuttenant Ungelter12 ze schreiben, daz er mir firderlich
4 Furen, neben dennen auch von dem Herrn Obristen
Praecelini eine alher khommen solle, schickhe, auf daz ich
vier Fuether13 Wein (beliebts Gott) negstens nacher be-
sagtem Horb fürn lassen khan.
Wann hieiger statt14 mit Abfürung merer Soldatten,
sonnderlich der Bagagi15, wie bei anndern Regimentern
geschechen, khunde geholffen werden, were sehr guet.
Dann sy mit Contribuir- unnd Einquorttirung16 vill
ausgestanden, unnd sich zimblich truzig und ungehorsamb
erzaigen. An diser Wochen heut noch mer nit alß
300 [Gulden] erlegt.

Weilln Herr Obrist-Leuttenant Ungelter neben
anndern vornemmen Leuthen nach den heyligen Pfingst-
Ferien in daz Zellerbadt17 ziechen wird und vorhero
alle Notturfft18 zu Werckh getracht werden solle,
aber der Bestandts-Inhaber desselben, Phillips
Christoph Pixenstain19, ohne salua guardia20 nit bleiben
khan, alß Bitte meinen gnädigen Herrn, von
Irer Excellenz Herrn Grafen von Gronsfeld21
unschwer eheist unnd negster Tagen schrüfft- unnd
lebendige salua guardia22 dahin verordnen zlassen
wolte, dem Herrn Obristen neben Empfelchung göttlicher
Protection23 antworttlich anfigen. Signatum24
Pforzheim, den 19. Maii 1635.

Meines gnädigen Herrn
gehorsamb williger
Wolff Pelkhover

Post Scriptum:25 Bey negst verfallender
Gelegenheit schickhe ich
den Wein nacher Tübingen26.


1 Stadt Pforzheim PF.

2 Pelkover, Wolf, 1634–1636 bayerischer Kriegskommissar in Pforzheim (Maier, Franz: Die bayerische Unterpfalz im Dreißigjährigen Krieg. Besetzung, Verwaltung und Rekatholisierung der rechtsrheinischen Pfalz durch Bayern 1621 bis 1649. Frankfurt/M. u.a. 1990, S. 587).

3    Ruepp, Hans Christoph Freiherr von (1587–1652), 1632–1635 bayerischer Oberst und Generalkriegskommissar (Tessin, Georg: Die Regimenter der Europäischen Staaten im Ancien Régime des XVI. bis XVIII. Jahrhunderts. Band 3, Osnabrück 1995, S. 285; Saito, Keita: Ruepp, Hans Christoph von 2017. In: Lexikon der Heerführer und hohen Offiziere des Dreißigjährigen Krieges, hrsg. von Markus Meumann (Online-Ressource; URL: https://thirty-years-war-online.net/prosopographie/heerfuehrer-und-offiziere/ruepp-hans-christoph-von/ (05.05.2023))

4 Bedeutung: „zu Recht empfanngen“ = rechtzeitig erhalten; „zu Recht“ könnte aber auch in einer älteren Lesart „gebührend, geziemend“ bedeuten.

5 Übersetzung: Von den finanziellen Belastungen / Nöten der ansässigen Bürger höre ich täglich […] und weiß (aber auch), dass viele unter ihnen mehr aufbringen könnten, als ihnen auferlegt wurde.

6    Bedeutung: „Ranzion“ = Lösegeld zum Loskauf aus Kriegsgefangenschaft.

7 Pappenheim, von, kaiserlicher bzw. bayerischer Offizier (welcher?); vgl. Tessin, Georg: Die Regimenter der Europäischen Staaten im Ancien Règime des XVI. bis XVIII. Jahrhunderts. Band 3, Osnabrück 1995, S. 244.

8 Bedeutung: „Contribution = Zahlung, Abgabe (insbesondere einer Kriegssteuer).

9 Bedeutung: „Conventirung“ = Zusammenkunft (lat. convent), Zuträglichkeit, Bequemlichkeit.

10  Stadt Horb am Neckar FDS.

11 Bedeutung: „Schäffel“ = Scheffel; altes Hohl- bzw. Raummaß, das zur Messung von Schüttgütern (z. B. Getreide) genutzt und auch als Getreidemaß bezeichnet wurde. Ein Scheffel beinhaltete (landschaftlich variierend) 40 bis 230 Liter.

12 Ungelter, Wolf Jacob, bayrischer Obrist; vgl. ungelter | Suchergebnisse | Der Dreißigjährige Krieg in Selbstzeugnissen, Chroniken und Berichten (30jaehrigerkrieg.de) (05.05.2023).

13  Bedeutung: „Fuether“ = Fuder; ein Hohlmaß für Wein mit einem Fassungsvermögen von ungefähr (landschaftlich variierend) eintausend Litern.

14 Bedeutung: „hieiger statt“ = an hiesiger Stätte, vor Ort.

15  Bedeutung: „Bagagi“ = Die „Bagage“ (Sg.) ist der für die Versorgung der Soldaten zuständige Tross; auch mit Familienangehörigen der Soldaten.

16 Bedeutung: „Contribuir- unnd Einquorttirung“ = Kriegssteuern/Abgabezahlungen und Einquartierungen.

17  Stadt Bad Liebenzell CW.

18 Bedeutung: „Notturfft“ = Notwendigkeit, Anspruch.

19 Büchsenstein, Phillip Christoph, Oberbadwirt in Bad Liebenzell (vgl. Hahner, Ernst Ortssippenbuch der ehemaligen Oberamtsstadt Neuenbürg mit kirchlichem Filial Waldrennach (Enzkreis). Erstellt aufgrund der örtlichen Quellen 1558-1900 unter Berücksichtigung weiterer Nachweise ab 1310 (Der Enzkreis. Schriftenreihe des Kreisarchivs 4). Pforzheim 1997, S. 103, Nr. 1080).

20 Bedeutung:  Die „Salva Guardia“ war ein Schutz- und Geleitbrief, der ursprünglich vom deutschen Kaiser verliehen wurde. Seit dem Dreißigjährigen Krieg wurden auch von einem Kommandeur genehmigte Passierscheine und abgestellte Schutzwachen so bezeichnet.

21 Gronsfeld, Graf von, kaiserlicher bzw. bayerischer Offizier (welcher?); vgl. Tessin, Georg: Die Regimenter der Europäischen Staaten im Ancien Règime des XVI. bis XVIII. Jahrhunderts. Band 3, Osnabrück 1995, S. 114.

22 Bedeutung: „schrüfft- unnd lebendige salua guardia“ = Geleitbriefe und Schutzwachen (wörtl.: schriftliche und lebendige Salva Guardia).

23 Bedeutung: „Empfelchung göttlicher Protection“ = Anempfehlung göttlichen Schutzes.

24  Lat. = gezeichnet, unterzeichnet.

25 Lat. = Nachtrag.

26  Stadt Tübingen TÜ.

Quelle Staatsarchiv München, Schlossarchiv Teising 57
Die Wiedergabe der Transkription folgt der Originalquelle buchstaben- und zeilengetreu.