Loading...

Pfarrei Friolzheim an Obervogt zu Leonberg 1630

Johann Jakob Mochel1, Pfarrer zu Friolzheim2, berichtet dem Leonberger3 Obervogt Nikolaus Friedrich Böcklin von Böcklinsau4 über ein Treffen mit einem Hirsauer5 Mönch in Friolzheim bezüglich der konkurrierend lutherisch und katholisch abgehaltenen Gottesdienste. Mochel berichtet, dass die Gemeinde halb lutherisch, halb katholisch eingestellt sei. Der Hirsauer Mönch habe von Mochel vergeblich die Herausgabe der Schlüssel für Fried- und Pfarrhof verlangt.

[Friolzheim], 31. Oktober/10. November 1630 (Abschrift)

Woledler gestrenger Junckher Obervogt,
Euer Strenger6 seyen mein gantz geflißne Dienst etcetera.

Obwol aber ich Underschribner von Euer Strenger
nicht bin, gleich wie die Pfarrer zu Merckh-
lingen7 und Hingstetten8 widerumb uff fürstliche
Gnaden Anbevehlen eingesetzt worden, sondern
auß gewüßen Ursachen denn Herrn Ambt-
leüthen zu Calw9 bevohlen, wie auch uffs Beste
verrichtet worden. Jedoch weil Frioltzheim
nacher Lewenberg in Schirm gehördt, hab
Euer Strenger ich wöllen mit wenigem berichten,
daß, da gesterigs Tags ich meine Morgen-
predig verrichtet, hatt sich ohngefahr begeben,
daß ich und unßer Münch von Hürschaw under
der Kürchthür zusamengestossen. Der mich an-
geschnarcht, ob ich nicht auß dem kayßerlichen Mandat,
welches mir durch denn Schuldthaißen sey über-
livert worden, gnugsam werd verstanden
haben, daß ich mich deß lutherischen Exercitii10
solle bemüeßigen. Darauff ich ime beschaiden-
lich vor meiner gantzen Gemeind geantworttet:
Ich laße daß kayßerliche Mantat in seinen völligen
Cräfften stehen. Ich aber wölle mich kurtz gegen
ime resolvirt11 haben, daß ich nicht bedacht seye,
mich von meinem Exercitio abtreiben zu laßen,
es sey dann, daß mich Ir fürstliche Gnaden, dem ich auch,
forderst dem lieben Gott, die Sach wölle be-
fohlen haben laßen sein. Darauff er mier und
meiner Gemaind hefftig mit Einquartierung
viler Reütter gedrohet. Darauff er gleich hatt
lassen leiten sein Predigt, welche von nichts
anderst, wie mann mir sagt, gelauttet, dann
von Dröhen und Einlegung Krüegsvolckhs12 unnd
darauff sein Meßlen13 verrichtet. Es hatt sich aber
der mehrer Theils deß Bövelß14 auß Forcht der
angedröhten Straaff laider zimlich papistisch
erzaigt. Nach solchem hatt er die Kürch- und Pfar-
hofsschlißel zue etlichen Mahlen fordern laßen,
welche aber ich ime nicht hab folgen laßen, sondern
wie verandtwordtlich bei Handen behallten.
Ist allso widerumb im Zorn weggeritten.
Darauff ich gleich widerumb, ehe er schier für
denn Fleckhen15 hinauß khommen, hab laßen in
mein Mittagpredig leitten, welche ich auch
nach Vermögen verrichtet. Ist allso die Gemeind
gestern halb luterisch und halb päpstisch
gewesen. Ob nun Euer Strenger solches, was sich
zwischen unß und dem Münch verloffen16, werden
berichten, steth zu derselben Belieben. Welche
ich auch dem lieben Gott in meinem Gebett
will bevohlen haben. Datum denn 31. Octobris anno
1630.

Euer Strenger
underdienst-
haffter

Pfarrer zu Frioltzheim
Magister Jacob Mochel

Dem wohledlen gestrengen Fryderich
Niclaus Böckhlin von Bockhlinsaw etcetera,
wolbestelltten17 Obersten auch Ober-
vogt zu Lewenberg etcetera, meinem
sonders großgünstigen Junckhern.


1 Mochel, Johann Jakob, 1627–1631 Pfarrer in Friolzheim <https://www.wkgo.de/personen> (01.03.2023).

2 Friolzheim PF.

3 Stadt Leonberg BB.

4 Böcklin von Böcklinsau, Nikolaus Friedrich, Obrist und Festungsinspektor, 1628–1635 Obervogt zu Leonberg (Pfeilsticker, Walther: Neues Württembergisches Dienerbuch. Band 1, Stuttgart 1957, § 45, 1605; Band 2, Stuttgart 1963, § 2530).

5 Hirsau, Stadt Calw CW.

6 Bedeutung: „Euer Strenger“ = Euer Gnaden („streng/gestreng“ = stark, gewaltig, tapfer; Ehrentitel des Ritterstandes).

7 Merklingen, Stadt Weil der Stadt BB.

8 Althengstett CW.

9 Stadt Calw CW.

10 Bedeutung: „Exercitii (später: Exercitio)“ = Ausübung (seines geistlichen Amtes).

11 Bedeutung: „resolvirt“ = beschlossen; hier: deutlich gemacht.

12 Bedeutung: „Dröhen und Einlegung Krüegsvolckhs“ = Drohungen und Zwangseinquartierungen von Kriegstruppen.

13 Bedeutung: „Meßlen“ = Messe, Gottesdienst.

14 Bedeutung: „Bövelß“ = Pöbels, ungebildeten Volks.

15 Bedeutung: „Fleckhen“ = Dorf, Ortschaft.

16 Bedeutung: „verloffen“ = begeben, abgespielt.

17 Bedeutung: „wohlbestelltt“ = wohlhabend, angesehen.

Quelle Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 489 Bü 13
Die Wiedergabe der Transkription folgt der Originalquelle buchstaben- und zeilengetreu.