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Oberamt Pforzheim an Markgraf von Baden-Durlach 1654

Der Pforzheimer1 Untervogt Philipp Jakob Vinther berichtet Markgraf Friedrich V. von Baden-Durlach2 über den infolge des Dreißigjährigen Krieges schlechten Verwaltungszustand der Ortschaft Brötzingen3. Um wieder einen Überblick über die Eigentums- und Vermögensverhältnisse zu erhalten, werden sämtliche Einwohner, Erben und sonstige Personen mit Ansprüchen aufgefordert, mit ihren Nachweisen in Brötzingen auf dem Rathaus zu erscheinen. Es folgen die Namen von 31 Männern, die im August vorgeladen worden sind − und zwar ausdrücklich unter Ausschluss des Klagerechts.

Pforzheim, 19./29. Juni 1654 (Ausfertigung)


1 Stadt Pforzheim PF.

2 Baden, Markgraf Friedrich V. von <https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_V._(Baden-Durlach)> (01.06.2023).

3 Brötzingen, Stadt Pforzheim PF.

Deß Durchleüchtigen Hochgebohrnen Fürsten und Herrens, Herrens Frideriche
Marggravens zue Baden undt Hochberg, Landtgravens zue Saußenberg, Gravens zu Sponheim
undt Eberstein, Herrens zu Rötteln4, Badenweiler5, Lohr6 undt Mahlberg7 etcetera. Meines gnädigen Fürsten
undt Herrens etcetera verordneter Undervogt zu Pfortzheim, Ich, Philipps Jacob Ginther[?] etcetera,
füge hiemit jeder möniglich8 zu wißen, demnach durch vorgeschwebtes, lange Zeit undt
Jahr gewehrtes, vornemblich dißer Orthen halt angehaltenes, Landt undt Leüth verderbliches
Kriegs- undt zerrüttes Weesen der Fleckhen Brötzingen, dißes Pfortzheimer Ambts.
Indeme alß derselbe, von deßen Inwohnern auß Kriegszwang undt -trang ein geraume
Zeit verlaßen werden müßen, deß Fleckhens Gebäw undt Wohnungen abgangen undt
gutten Theils gar zu Boden gefallen, die Veldtgütter aber in zimblicher Mäng sehr ver-
wildet undt verwachßen seindt, in solch höchst empfindlichen Ruin undt schädliche Veröd-
ung gerathen, daß, weiln berürte ligende Gütter ohne daz mit nicht geringem Schuldenlast
ahn viel underschiedene Orth beschwerth, die hie vormahls geweßene, noch übrig verblibene
wenige Inhabere oder deren Erben (dan der mehrer Theyl gestorben, verdorben, auch hien
undt wider verschollen ist) sich deroselben biß data wenig oder wohl gar nicht anzunemmen
begert, noch auch inskünfftig nicht zu thun gesinnet; eß seye dann, daz mit angezogenen,
darauff hoffenden Schulden vorderist rechtmeßige Erörtterung oder gebührende ander-
werttige Außweißung getroffen worden seye. Damit nun aber bey durch die
Gnade Gottes erfreylich erhelten Friden bemelter Fleckhen Brötzingen gleich andern
Orthen widerumb in Uffnehmen gebracht, die ruinirte wüste Haüßer undt Feldtgütter
zu bawlichen Nutzen undt Eintrag gerichtet undt durch längern Uffschub, sowohl gnädigster herrschaftlicher
Ratione dero Camergutts abbrüchiger Schaden, noch gemeinen Nutzen übelständiges Nachtheyles
weithers nicht erwachßen, noch auch die Schuldtglaubiger selbsten ahn ihren Rechten uffge-
halten oder vernachtheylt werden mögen. So hat, deme vorzuekommen undt in
Vorstehendem allem gewiße Richtigkeit zu treffen, hieunden benambste Tagsatzungen (deren
jede für den ersten, andern undt dritten Termin, also ohne weithere Erstreckhung peremptorie9
praefigirt10 wirdt) anzustellen meine Pflichtschuldigkeit erfordert. Citire undt lade11 crafft
habenden fürstlichen Befelchs hierauff alle undt jede, so nicht allein ahn unden Verzeichneter,
sondern auch all anderer Verstorben- undt Verschollener oder auch noch im Leben vorhandener mehr-
ernanths Fleckhens Brötzingen Inwohner, Vermögen oder Hinderlaßenschafften, Erb- oder ander-
werthe Schuldforderungen, wie die immer Nahmen haben mögen, zu gewinnen vermeinen. Daß
der- oder dieselbe uff angeregtermaßen hernach folgende peremptorische12 Termin allwegen morgens
fruher Tagszeit uff den Rathhauß daselbst – in Persohn oder durch gevollmachtigte Anwäldt – erscheinen,
ihre habende, rechtmeßige Spruch undt Forderungen sonderlich mit beybringenden Originalien
oder Vorlegung zu rechtgülttiger beweißlicher Documenten genugsam liquitiren13 undt darüber
gütt- oder rechtlichen Spruchs undt Erörtterung gewärttig sein. Im Fall vorsezlichen
Außenbleibens aber befahren sollen, daß ihnen ein ewiges Stillschweigen aufferlegt, benebenst
nichtsdestoweniger in den Sachen werde fortgefahren undt gehandelt werden, waß Recht, auch recht-
licher Ordnung gemäß sein wirdt, darnach sich möniglich zu richten. Signatum Pfortzheim,
under meinem hie vorgetruckhten Secret-Insigul14, den 19. Junii anno 1654.

Undt wirdt außgeschätzt werden   Lorentz Willmann
den 14. undt 15. Augusti:   Georg Bechtoldt
Jacob Willmann   Martin Meßner
Hanß Birckh   Ulrich Mohr;
Burckhardt Willmann   den 21. undt 22. Augusti:
Jacob Kiener   Hanß Pfeffer, Jacobs Sohn
Jacob Kiener   Hanß Christman Eberlin
Hanß Meßner, Lauxen15Sohn Michel Willmann Hanß Liechtenberger, der Bickhel
Jacob Meßner, der Schitz Caspar Zetelmeyer Hanß Huttenloch
Martin Lichtenberger; Geörg Miller Hanß Ulrich Pfeffer
den 16. undt 17. diß16: Hanß Mohr, Lauxen Sohn; Jacob Meßner, oben im
Tobias Krenner den 18. undt 19. huius17: Dorff
Claus Birckh Matthes Meßner, der Scheffer Hanß Eckherdt
Peter Miller Hanß Burckhardt Pfeffer Hanß Eberlin der
Hanß Miller, des Krummen Sohn Hanß Kreiß Bawr.

 


4 Tumringen-Rötteln, Stadt Lörrach LÖ.

5 Badenweiler FR.

6 Stadt Lahr OG.

7 Stadt Mahlberg OG.

8 Bedeutung: „möniglich“ = allesamt, jedermann (von ahd. „männiglich“).

9 Bedeutung: „peremptorie“ = unter Ausschluss des Klagerechts; siehe auch: peremptorisch.

10 Bedeutung: „praefigirt“ = vorgeschrieben, vorausbestimmt.

11 Bedeutung: „Citire undt lade“ = [ich] bestelle ein und lade vor [kraft bestehenden fürstlichen Befehls].

12 Bedeutung: „peremptorisch“ = aufhebend. Die peremptorische Einrede schließt als Einwendung die Durchsetzbarkeit eines Rechtsanspruchs auf Dauer aus.

13 Bedeutung: „liquitiren“ = vollziehen, ausführen, (einen Rechtsanspruch) abwickeln.

14 Bedeutung: „Secret-Insigul“ = Geheimes Siegelzeichen.

15 Bedeutung: „Lauxen [Sohn]“ = des Lukas‘ Sohn.

16 Lat. = desselben (Monats).

17 Lat. = dieses (Monats).

Quelle Generallandesarchiv Karlsruhe 40/161
Die Wiedergabe der Transkription folgt der Originalquelle buchstaben- und zeilengetreu.