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Lied über die Zerstörung Knittlingens 1632

Der Text von unbekannten Autor behandelt die Zerstörung Knittlingen durch kaiserliche Truppen am 15./25. August 1632. Es wurde erstmals 1912 unter folgender Überschrift veröffentlicht: „Von Knittlingen im württemberger land, wie erbärmlich das Ossaische volk solche statt eingeäschert und das volk nidergehawen“.1 Als Melodie ist dabei „Mein junges Leben hat ein end“ angegeben.2

Ohne Ort und Datum (Druck)

Jammer, elend und große klag
im ganzen teutschen land
hört man jetzund fast alle tag
mit krieg ohne stillstand:
darneben mancher frommer mann,
der nie keim menschen leid gethan,
wird grausamlich ermord!

Dis haben wol erfahren tewer
im würtemberger land
zu Knittlingen die burger hewer
den´n habens abgebrannt
ihr statt: das volk von Eydenam
vom Ossa unvorsehens kam
mit großer schröcklichkeit.

Darinnen lag 500 mann
vom ausschuß, die sich zwar
anfänglich sehr gewehret han,
wurd ihn´n doch endlich gar
ihr mauren bald erstiegen gschwind
da hiebens nider weib und kind
zusammt der burgerschaft
mit menschlicher tyrannei;

es half kein bitt noch geld,
so blutgierig die reuterei
ward da. Es wird vermeld,
daß weiber  ihre mann
…en müssen, bis sie alsdann
von ihnen wurden tot.

Ein weib im schrecken nahm ihr kind
auf den arm und in eil,
wolt fliehen an ein ort geschwind:
ihr unvermerkt derweil
hieb einer nach ihr mit eim streich,
traf das kind, daß der kopf zugleich
hinfiel erbärmlich sehr.

Da nun die mutter sich vermeint
ganz sicher jetzund sein,
sah sie erst, wie ihr kind erscheint
ohn ein kopf, weh der pein.
Zuletzt ihr viel in kellern sehr
verkrochen sich bald hin und her
da ward die statt anzünd.

Ein mann erett sich wunderlich,
der in dem keller war,
mit wein, den er vorsichtiglich
in ein gefäß ließ alldar,
goß damit umb sich, wehrt dem fewer,
wo es zu ihm wolt ungeheuer;

endlich er sich umgab,
wickelt sich in ein kühhaut klug,
die er ins gfäß hinein
zuvor getunket hätt genug,
das er voll ließ mit wein;
die not hat ihn so witzig gmacht.
hat also sein leben darvon bracht.

Wie die brunst hätt ein end,
sah man oft liegen kinder klein,
vom rauch und fewer elend,
da ligen bei den eltern sein
halb braten und verbrännt,
daß einem, der das sahe an,
thäten die haar gen berge stahn
ab diser schrecklichkeit.

Wer meint doch, daß es müglich wär,
daß eines menschen herz
könn sein so unbarmherzig sehr!
Mit bitterlichem schmerz
haben sie auch ein weib
aufgeschnitten und das kind
auf ein spieß gesteckt.

Damit sie kühlten ihren mut,
als wie tollkühne hund,
trunken etlich der menschen blut,
auf daß er werden kunt,
beherzter auf die türannei,
die unschuldigen mancherlei
zu plagen auf das ärgst.

Wie sie nun hausten dergestalt,
musten sie förchten sich,
entsatzung möchte kommen bald,
habens in eil endlich
sich aufgemacht mit großer beut
und ließen da die arme leut
verschmachten eben gar.

Das seind die frücht, die gibt der krieg
jetzunder in Teutschland;
drum besser ist, wie die schrift spricht,
fallen ins herren hand
als in der feind händ ohne maß,
dis sollen wir ohn unterlaß
bitten vom lieben Gott.

Dis lied den frommen leuten gut
sing ich ganz wol vermeint,
die als märtyrer in ihrem blut
traurig umbkommen seind.
Gott wöll ihn´n geben ins himmels thron
die unverwelklich martercron,
die ewig seligkeit!


1 Steiff, Karl (Hg.): Geschichtliche Lieder und Sprüche Württembergs, Stuttgart 1912, Nr. 121, S. 541–544.

2 Die Melodie stammt von dem niederländischen Komponisten Jan Pieterszoon Sweelinck (1561 – 1621) und ist sein bekanntestes Werk. Seine Kompositionen waren in der Zeit sehr verbreitet <https://de.wikipedia.org/wiki/Jan_Pieterszoon_Sweelinck> (02.03.2023).

Quelle Weisert, Karl: Knittlingen. Geschichte einer Stadt, Stuttgart 1968, S. 135–136
Die Wiedergabe der Transkription folgt der Originalquelle buchstaben- und zeilengetreu.