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Kloster Maulbronn an Herzog von Württemberg 1630

Großkeller1 Weiprecht Eg(o)s2 und Lizenziat Johann Jakob Bab(e)3 legen als neue Verwalter des Klosters Maulbronn4 in einem Schreiben an den Herzog-Administrator Ludwig Friedrich von Württemberg5 Protest ein gegen die ihrer Meinung nach nach von Württemberg widerrechtlich sich angemaßten Einzug des Neuland- und Weinzehnten in Roßwag6, Illingen7 und anderen Klosterdörfern. Sie bestreiten den württembergischen Anspruch der Landesherrschaft und betonen die Reichsunmittelbarkeit der Maulbronner Abtei, wobei sie ausdrücklich darauf hinweisen, dass sie den Herzog-Administrator nicht als Landesfürsten anerkennen. Zugleich drohen sie zur Wahrung ihrer Rechte mit der Einschaltung übergeordneter Instanzen.

Maulbronn, 22. September/2. Oktober 1630 (Abschrift)

Durchleüchtiger hochgeborner Fürst,
Euer fürstliche Gnaden seyen underthenig berait-
willige Dienst unnd Grueß zuvor8.

Gnediger Herr. Wir haben auß
einem in Euer fürstlicher Gnaden Namen denn
20. jetzt seyenden Monats Septembris
tatirten, zwar weder von deroselben
unnderschriebenen noch ihrem Se-
cret Innsigel verwardten9 an den
Obervogten auch Unndervogten zu
Vayhingen10, sodann Purstpflegern
zu Illingen abgangenen und uns
alls bevolmächtigten Commissarien11
unnd pro tempore12 Administratorn13
des Gottshauß Maulbrun commu-
nicirtem Schreiben seines Innhalts
verstanden, das Euer fürstliche Gnaden nit al-
lein den Roßwager erwachsenden
Wein alls Noval unnd uff Würtem-
bergischen Costen newerbawten,
sondern auch zu Illingen unnd al-
len andern gerüertes14 Gotthaus
Orthen unnd Enden wachsenden
Zehenden alls Landtfürst ihrem
fürstlichen Hauß zuzuaignen
sich anmaßen. Unnd ob zwar al-
hie wol belegt werden khöndte,
das die Erhebung der Novalzehen-
den der landtsfürstlichen Ober-
kheit nit, sonder den Pfarren ge-
meinen Rechts wegen allein zu-
ständig ist. So ist doch solches für
dißmal zu tisputiren15 von Ohnnöthen,
sondern gibt mann zue, das ja
im Hayligen Römischen Reich an et-
lichen Orthen perceptio nuvalium
ex consuetudine vel privilegio potius16
der landtsfürstlichen Obrigkheitt
gestattet würdt. Das aber Euer fürstliche Gnaden
der Orthen unnd des Gottshaus
Maulbrun oder auch dessen an-
gehöriger Underthonen Landts-
fürst seyen, khan mann im ge-
ringsten nit zugeben. Wißen
Euer fürstliche Gnaden auch sich gnug auß den
Reichsmatricul17 wol zu beschaiden,
daz ein Praelat18 zu Maulbrun ein
ohnmittelbahrer19 Standt des Reichs
unnd nit eines Herrn Hertzogens
zu Württemberg Landsäß20 ist.
Dannenhero auch die Religionsen-
derung einem Herrn Praelaten
des Gottshauß durch Kayßerliche Mayestät
alls einem Standt des Reichs
kurzverrukhter Zeit21 verwilliget.
Welches ja sonsten nit beschehen, al-
dieweil solche den Landtsäßen nit,
sondern vermög des Religionfri-
dens den Ständen des Reichs al-
lein erlaubt gewesen, anderer
Immunitäten des Cistercienzer-Ordens
unnd Ursachen zugehörig werden.
Also Euer fürstliche Gnaden unns in Ung[naden] nit
verdenkhen, wann wir unns
der allergnedigsten Kayßerlichen Mayestät zuer-
khandten volkhommen Immission22
auch bereits apprehendirten Possessi-
on23 aller ober, mittlern und nidern
besagten GottshaußAngehörigen
Herrligkheiten gebrauchen unnd
dessen Pflegern unnd Underthonen
Euer fürstliche Gnaden suchen sich nit zubeque-
men undersagen unnd verbieten
müeßen. Wie dann beraits ver-
mög Bevelchs24 der Herrn kayßer-
lichen Commissarien beschehen, wann
wir anderst nit bey Kayßerlicher Mayestät
auch unnsern Herrn Deleganten25 dem
Herrn Praelaten zu Lützel eines
zu weit außsehenden Übels
wollen bezüchtigt, auch gestrafft
werden. Bitten also dieselbige
underthenig, die geruhen in einer
so claren unnd gerechten Sachen
in das Gottshaus oder deren
Unnderthonen mit obvermeltem
Seuchen26 ferners nit zu setzen, sondern
sie bey von allerhöchst gnädigen Kayßerlichen
Mayestät eingeraubten Possession un-
porturbirt27 laßen. Im widerigen
ohnverhofften Fahl, da Euer fürstliche Gnaden
mit Gewalt verfahren solten,
wir oder unser gnediger Herr
Delogans28 sich dessen Angehörigen
höhern Orthen zu beklagen getrun-
gen wurden. Geleben darbei
tröstlicher Zuversicht29, Euer fürstliche Gnaden
alls ein fridliebender Fürst
werden zu fernerer Ungelegen-
heit kheine Ursach geben, diesel-
bige unnd unnß hiemit göttlich-
er Allmacht, auch unns zu dero
fürstlicher Gnaden in Underthenigkheit wohlen
empfelendt. Datum Maulbrun,
den 2. Octobris anno 1630.

Euer fürstliche Gnaden

underthenige

Frater30 Weitpert Egoß,
Großkeller, unnd
Johann Jacob Babe
daselbsten.


1 Oberkellermeister und (Mit-)Verwalter eines Klosters.

2 Eg(o)s, Weiprecht, 1630 Großkeller des Klosters Maulbronn.

3 Bab(e), Johann Jakob, 1630 Lizenziat des Klosters Maulbronn.

4 Stadt Maulbronn PF.

5 Württemberg, Ludwig Friedrich Herzog von <https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Friedrich_(W%C3%BCrttemberg-M%C3%B6mpelgard)> (28.02.2023).

6 Roßwag, Stadt Vaihingen an der Enz LB.

7 Illingen PF.

8 Bedeutung: „seyen … zuvor“ = sei(en) versichert.

9 Bedeutung: „ihrem Secret Innsigel verwardten“ = Ihrem mit persönlichem (wörtl.: geheimem) Siegel gezeichneten/beglaubigten.

10    Stadt Vaihingen an der Enz LB.

11 Bedeutung: „Beauftragte, Amtsvertreter.

12 Lat. = zur Zeit; hier: derzeitig bzw. vorläufig.

13 Lat. = (politische und kirchliche) Verwalter.

14 Bedeutung: „gerüertes“ = betroffenes.

15 Bedeutung: „tisputiren = besprechen, in einem Streitgespräch austragen.

16 Lat. = das Einsammeln des Novalzehnten aus Gewohnheit oder durch ein Sonderrecht.

17 Bedeutung: „ Reichsmatricul“ = Reichsmatrikel; ein Verzeichnis der Reichsstände des Heiligen Römischen Reiches, in dem deren für die Reichsarmee zu stellende Truppen in genauen Zahlen und/oder die finanziellen Leistungen für den Unterhalt des Heeres festgehalten wurden. Der Eintrag in die Matrikel wurde häufig als wichtiges Indiz für die – nicht immer unumstrittene – Reichsunmittelbarkeit eines Reichsstandes angesehen (vgl. <https://de.wikipedia.org/wiki/Reichsmatrikel>; aufgerufen am 06.02.2023).

18 Bedeutung: „Praelat“ = Amtsträger in leitender Funktion; Leiter eines Kirchensprengels.

19 Bedeutung: „ohnmittelbahr“ = reichsunmittelbar; von anderen rechtlichen Verhältnissen.

20 Bedeutung: „Landsäß/Landtsäß“ = ein in einem Lande Angesessener, Vollbürger eines Landes; auch: Mitglied der Ritterschaft eines Landes.

21 Bedeutung: „kurzverrukhter Zeit“ = unlängst, kürzlich.

22 Einsetzung.

24 Bedeutung: „vermög Bevelchs“ = im Zusammenhang mit einer Anordnung, auf einen Befehl hin.

25 Bedeutung: „Delegant = Abgesandter, Anweiser.

26 Bedeutung: „mit oben erwähntem Ersuchen, Anliegen.

27 Bedeutung = ungestört, unangetastet.

28 Bedeutung: „unser gnediger Herr Delogans“ = unser gnädiger Herr Gesandter.

29 Bedeutung: „geleben darbei tröstlicher Zuversicht“ = wir verbleiben in der tröstlichen Zuversicht.

30 Lat. = Bruder.; hier: Ordensbruder.

Quelle Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 66 Bü 20
Die Wiedergabe der Transkription folgt der Originalquelle buchstaben- und zeilengetreu.