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Herzog von Württemberg an Kanzler Löffler 1632

Herzog Julius Friedrich von Württemberg1 informiert seinen Kanzler Jakob Löffler2 über die regionalen militärischen Ereignisse, wobei er auch die Einnahme und Zerstörung des Städtleins Knittlingen3 am 15./25. August 1632 erwähnt.

Ettlingen, 21./31. August 1632 (Druck)

Unsern Gnedigen gruß etc. Hochgelehrter lieber getrewer: Euch wird ohne Zweiffel
verlangen zu wissen wie es dato daher geht. Ohne ist es nicht. das Herzogthum ist
in grossen Gefahren gestanden. Ossa4, Montecuculi5, Montrechir6, Baden7, Vißthumb8
waren beysamen, hatten Zweytausendt zu fuß und Zweytausendt Pferdt. Wollten al-
so durch das Herzogthum gehen dasselbe zu verhergen9 und zu verbrennen gaben vor
die Gefangene10, Sy wollten ein solch Feuwer machen, das die Engel im Himmel
müssten die Füß an sich ziehen: Quod ridiculose scribendum.11 Der Feind lag bey Ach-
ren12. Wir zogen über den Kniebis13, hatten zum securs14 den Schauelizkhy15, doch etwas
schwach. Wir schrieben zwar dem Feldmarschalckh Horn, ob er wollte in fronte16 dem
Feind entgegen kommen, hatten aber keine Gewißheit ob ers thun würde oder nicht.
Wir kamen biß nach Oberkirch17, daß der Feind nichts von uns wusste. Hernach als
Wür ein Meil zwo von ihm waren, brach er in der Nacht auff und als vor uns
her. Wir kamen in seine verlassne quartier, fanden auch Schreiben, do er von
Montrechir avi[si]ert wurde unser ankunfft. Wür campierten bey Durlach18, do zog
Montecuculi mit Baden vor Knittlingen, nahm tausend Pferdt, vmbrandte19 da Stätt-
lein, hauwte darnider, was darinn war, führten etliche Weibspersonen weckh, und
legte das Stättlin in die Aschen. Da waren Wür sorgfältig20 (dann Wür von ge-
dachtem Feldmarschalckh kein Nachrichtung) er dörffte durch das ganze Land gehen
und bey Balingen21 wieder hinaus. Zogen also hiehero nach Enzberg.22 Knittlinger
Staig hielt aber den Feindt dreymahl ab. Do er das sahe, wandte er sich Wiß-
loch23 zu, doch kham Feldmarschalckh auff Ihne seiner ohnwissendt, schlug die tau-
send Pferdt also, daß in Sechßhundert blieben, die übrige zertrennt24, Colonel Mon-
billon blieb tod, Vitzethumb und Baden kamen von den Pferdten und also wohl nass
durch den Morast zu fuß darvon. Alß diß Ossa vernamb, wandte er den Still umb25,
gieng bey Philippsburg26 über den Rhein. Feldmarschalck geht über die Straßburger27
brücken, vermaint noch einmal an ihn zu kommen. Ich bleib auff diser Seiten,
ziehe heute nacher Ettlingen28, welches vor vier Tagen sich ergeben. Ich habs aber
mit des Schaffelitzkhy Volckh besetzt im Namen des Königs. Morgen hoff ich an
Baden29, hernach Stollhofen30 und dann Offenburg31 zu gehen. Hab fünfftausend
Mann und zwölfhundert Pferdt sambt zehen Canons32 klein und groß. Ich wollte Ich
wäre mit in Salzburg33, das wär ein faists bißlein34, davon man andern auch könnt
guts thun. Mit Mümpelgart35 ist es nichts; Allein Harburg36 hat Ossa innen und mit
garnison besetzt, hat allen Mümpelgardischen und Reicheweyherischen37 Beampten an-
zaigen lassen, hinfüro mit Würtemberg nichts zu Communicirn oder er woll die
vor Feind halten38 und gleichmässiger gestalt tractirn39.

Die Canzley betreffend ist ydermann wohl auf ohne daß Secretari Lutz vor drey
Tagen gestorben, ingleichen der alt Uhrmüller. Gott geb daß alles Unglück mit
weckh sey. Und schreibt mir auch einmahl, dann ich verlangen trag, wie es dem König
geht. Und erhaltet mich bey Iren Majestäten in gutem favor40 vermög gethonem Ver-
sprechen. Verba enim non debent esse otiosi, (*) sed debent aliquid operari.41 So
viel alß ich ein Jurist bin. Hiemit göttlicher Bewahrung befehlend. dat. Ettlingen
den 21. Aug. Anno 1632.

Julius Friderich Herzog zu Würtemberg.

(*) Dieser Schnitzer steht im Original. Vermuthlich wollte der Herzog scherzen, weil er
sonsten gute Wissenschafft in der Lateinischen Sprache hatte.


1 Württemberg, Julius Friedrich Herzog von <https://de.wikipedia.org/wiki/Julius_Friedrich_(W%C3%BCrttemberg-Weiltingen> (11.01.2023).

2 Löffler, Jakob (1583–1638), württembergischer Kanzler 1629–1638 (Pfeilsticker, Walther: Neues Württembergisches Dienerbuch. Band 1, Stuttgart 1957, § 1106).

3 Stadt Knittlingen PF.

4 Ossa, Wolf Rudolf von (um 1574–1639), kaiserlicher General; vgl. <https://www.30jaehrigerkrieg.de/ossa-wolf-rudolf-freiherr-von-2/>  (11.01.2023).

5 Montecuccoli, Graf Ernesto <https://de.wikipedia.org/wiki/Ernesto_Montecuccoli> (11.01.2023).

6 Montrichier, Johann (Ernst) Freiherr von, kaiserlicher Oberst (Tessin, Georg: Die Regimenter der Europäischen Staaten im Ancien régime des XVI. bis XVIII. Jahrhunderts. Band 3, Osnabrück 1995, S. 221; vgl. Montrichier [Montrichter, Montrichir, Menterschier], Johann Ernst Freiherr von | Der Dreißigjährige Krieg in Selbstzeugnissen, Chroniken und Berichten (30jaehrigerkrieg.de) (11.01.2023).

7 Baden, NN Markgraf von, kaiserlicher Offizier  (Tessin, Georg: Die Regimenter der Europäischen Staaten im Ancien régime des XVI. bis XVIII. Jahrhunderts. Band 3, Osnabrück 1995, S. 12.

8 Vitzthum, NN, kaiserlicher Offizier (Tessin, Georg: Die Regimenter der Europäischen Staaten im Ancien régime des XVI. bis XVIII. Jahrhunderts. Band 3, Osnabrück 1995, S. 349.

9 Bedeutung: „verhergen“ = verheeren, verwüsten.

10 Bedeutung: „gaben vor die Gefangene“ = behaupteten gegenüber den Gefangenen.

11 Lat. (falsch angewendet) = Wie lächerlich, das niederzuschreiben (freie, sinngemäße Übersetzung).

12 Stadt Achern OG.

13 Der Kniebis ist ein langgezogener Bergrücken (971 m) im mittleren Schwarzwald.

14 Bedeutung vermutlich: Unterstützung, Geleit.

15 Vermutlich: Schaffalitzky von Muckadell, Bernhard <https://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_Schaffalitzky_von_Muckadell> (11.01.2023).

16 Lat. = vorne, an der Spitze.

17 Stadt Oberkirch OG.

18 Durlach, Stadt Karlsruhe KA.

19 Bedeutung: „vmbrandte“ = überrannte.

20 Bedeutung: „sorgfältig“ = in Sorge.

21 Stadt Balingen BL.

22 Enzberg, Stadt Mühlacker PF.

23 Stadt Wiesloch HD.

24 Bedeutung: „zertrennt“ = versprengt.

25 Bedeutung: „wandte er den Still umb“ = drehte er den Spieß um.

26 Stadt Philippsburg KA.

27 Stadt Strasbourg, Frankreich.

28 Stadt Ettlingen KA.

29 Stadt Baden-Baden BAD.

30 Stollhofen, Gde. Rheinmünster RA.

31 Stadt Offenburg OG.

32 Kanonen, Geschütze.

33  Stadt Salzburg, Österreich.

34 Bedeutung: „das wär ein faists bißlein“ = das wäre ein fetter Bissen bzw. eine fette Beute.

35 Grafschaft Württemberg-Mömpelgard (Montbéliard, Frankreich).

36 Horbourg-Wihr, Dép. Haut-Rhin, Frankreich.

37 Gem. Riquewihr (dt. Reichenweier), Dép. Haut-Rhin, Frankreich.

38 Bedeutung: „vor Feind halten“ = als Feinde betrachten.

39 Bedeutung: „tractirn“ = behandeln, mit ihnen umspringen.

40 Bedeutung: „in gutem favor“ = in gutem Ansehen.

41 Lat. = denn Worte dürfen nicht müßig sein, sondern müssen etwas bewirken (freie Übersetzung).

Quelle Sattler, Christian Friedrich: Geschichte des Herzogthums Würtenberg unter der Regierung der Herzogen. Band 7, Tübingen 1774, Beilagen, S. 60f., Nr. 14.
Die Wiedergabe der Transkription folgt der Originalquelle buchstaben- und zeilengetreu.