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Gemeinde Mühlhausen an der Würm an Markgraf von Baden-Durlach 1701

Der Notar Johannes Lydl berichtet Markgraf Friedrich VII. Magnus von Baden-Durlach1 von zwei Zeugenbefragungen zur Klärung einer Schuldensache der Gemeinde Mühlhausen an der Würm2 gegenüber der Ortsherrschaft.

Zunächst befragte er am 4. Januar 1701 in Weil der Stadt3 („in des Heiligen Römischen Reichs Statt Weyl“; „Weyller Statt“, „Weyllerstatt“) den Schultheißen Hans Jakob Brenner4 und das Gerichtsmitglied Michael Geißler aus Mühlhausen, die mitteilten, dass während des Dreißigjährigen Krieges im Jahre 1634 in Mühlhausen von der damaligen vormundschaftlichen Ortsherrschaft von Reischach5 ein Kapital von 600 Gulden zur Rettung des Ortes vor einer militärischen Exekution aufgenommen worden sei. Dazu wurden dann am 10. Januar 1701 im Schloss Mühlhausen die beiden Hochbetagten Simon Sickinger aus Hamberg6 und Jakob Lauth aus Mühlhausen sowie schließlich das Gerichtsmitglied Wendelin Wild befragt. Der Notar übermittelt die dortigen Fragen und Antworten in Protokollform.

Die beiden alten Männer sagen aus, dass in ihrer Erinnerung stets Krieg gewesen sei und sich Truppen verschiedener Kriegsparteien im Gemmingischen Gebiet7 abwechselten, von denen die Bevölkerung ausgeplündert wurde. Alles sei drunter und drüber gegangen. Obrist Keller8 habe bei der Brücke an der Steinegger9 Mühle einen Soldaten erhängen lassen. Simon Sickinger sei als Knecht mit einem bayrischen Reiter nach Augsburg10 und Landsberg11 gezogen, habe dort geheiratet und mit seiner Frau in der Schweiz gedient, bevor er mit ihr nach Hamberg zurückgekehrt sei. Jakob Lauth habe als Schreiner in Esslingen12 und Memmingen13 gearbeitet. Wendelin Wild war 1634 zwar noch nicht geboren, konnte aber bestätigen, den offenbar inzwischen verschollenen Schuldbrief „hören lesen und selbst gelesen“ zu haben.

Mühlhausen an der Würm, 11. Januar 1701 (Ausfertigung)


1 Baden, Friedrich VII. Magnus von Baden-Durlach <https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_VII._Magnus_(Baden-Durlach)> (09.02.2023).

2 Mühlhausen an der Würm, Gde. Tiefenbronn PF.

3 Stadt Weil der Stadt BB.

4 Brenner, Hans Jakob; ca. 1690 bis 1702 Schultheiß in Mühlhausen an der Würm (Kreisarchiv des Enzkreises, Ortsvorsteherdatei).

5 Maria Salomea von Gemmingen-Steinegg (gest. 1589), Tochter des Dietrich IX. war verheiratet mit Hans Michael von Reischach (gest. 1594); vgl. Hofmann, Franz: Schloss Schlatt unter Krähen. O. J. (1998?), S. 55 – 57 (vgl. <https://www.hegau-geschichtsverein.de/wp-content/uploads/hegau_5455_199798_hofmann_schloss_schlatt_unter_kraehen.pdf>
Salomea von Gemmingen und Hans Michael von Reichach hatten einen Sohn, Albrecht (um 1594 – 1656) der mit der Volljährigkeit 1617 die Herrschaft übernahm. Er könnte möglicherweise der Vormund gewesen sein.

6 Hamberg, Gde. Neuhausen PF.

7 Gemeint ist das Gebiet des katholischen Zweiges der Familie von Gemmingen (Hagenschieß), umfassend acht Dörfer südöstlich der Stadt Pforzheim PF.

8 Keller, Heinrich, 1634–1635 bayrischer Obrist (Tessin, Georg: Die Regimenter der Europäischen Staaten im Ancien régime des XVI. bis XVIII. Jahrhunderts. Band 3, Osnabrück 1995, S. 158).

9 Steinegg, Gde. Neuhausen PF.

10 Stadt Augsburg A.

11 Stadt Landsberg am Lech LL.

12 Stadt Esslingen am Neckar ES.

13 Stadt Memmingen MM.

In Nammen der Allerheyligsten
Dreyfaltigkheit, Amen.

Khundt unnd zue wissen seye mänigelichen14 mit disem
offenen Instrument15, das in dem Jahr, alß man zählt nach
Christi, unnsers Herrn und einigen Seeligmachers
gnadenreichen Geburth Aintausendtsibenhundertund-
ains, Indictione nona16, bey Regierung des allerdurch-
leüchtigsten großmächtigsten unyberwindlichsten
Fürsten unnd Herrn, Herrn Leopoldi17diß Nahmens,
des erstens Römischen Keyßers, auch zue Hungarn
unnd Böhaimb18 Königs etcetera etcetera. Auf Dinstag, welcher
ware der vierte Monathstag Januarii19, zwischen 7
unnd 8 Uhr in des Heiligen Römischen Reichs Statt Weyl aigen-
thumblicher20 Canzeley, an dem Rath Hauß, uf dem Marckht
in der oberen Stuben erschinen die ehrbahr, achtbahr
unnd bescheydene Hannß Jacob Brenner, Schultheiß, und
Michl Geißler, des Gerichts, in dem hochadlichen Gemming-
ischen Fleckhen Mühlhausen an der Würmb. Dise haben
mir zu erkhennen gegeben, waß gestaltten ihnen ein
Beweyß, ob nemblichen in annis21 1633, 34, et 35 etcetera diser
Enden22 Krieg gewesen. Ein folglich, daz in anno 1634 von
damahliger gnediger Vormundts Herrschaffts vorgestreckhte
Capital à 600 [Gulden] zue des Fleckhens Mühlhausen Bessten
unnd hingegiger Abwendung des unfehlbahren Ruinz23
aufgenomben worden seye oder nicht. Vonnethten


14 Bedeutung: „mänigelichen“ = jedem, jeglichem.

15 Bedeutung: „Instrument (später: instrumenta)“ = Zeugnisbrief, Urkunde.

16 Lat. = in der neunten Indiktion. Die Indiktion (indictiō = Ansage, Ankündigung) ist ein 15-jährlicher Zyklus zur Jahreszählung, der seit der Spätantike bis zum Ende des Mittelalters häufig verwendet wurde.

17 Leopold I., römisch-deutscher Kaiser <https://de.wikipedia.org/wiki/Leopold_I._(HRR)> (13.02.2023).

18 Bedeutung: „zue Hungarn unnd Böhaimb“ = von Ungarn und Böhmen.

19 Dienstag, 4. Januar 1701.

20 Bedeutung: „aigenthumblich“ = zugehörig.

21 Lat. = in den Jahren.

22 Bedeutung „diser Enden“ = da, dort.

23 Bedeutung: „zue des Fleckhens Mühlhausen Bessten unnd hingegiger Abwendung des unfehlbahren Ruinz“ = zum Besten des Ortes Mühlhausen und – im Gegensatz dazu – zur Vermeidung des sonst eintretenden Ruins.

derowegen gebetten Jacob Lauthen unnd Wendl Wilth
von mehrernenten Muhlhaüsen, wie auch Simon Sickh-
ingern, zue Hämberg wohnhaft, mithin der hochadlichen
Steineggischen Jurisdiction24 und underthan, weilen sie
gewiße Wissenschaft darumben heten, in etlich Puncten
und Articul25 zu befragen. Ihre Außag mit allem Vleiß
zu notiern unnd ihnen daryber ain oder mehr offene
Instrumenta umb die Gebühr mitzuetheillen.

Wann dann ich ambtshalber ihnen ihr geziemendes
Ansuechen füeglich nicht wohl verweigeren, sondern
vihlmehr wilfahren khönnen unnd sollen. Alß hab ich
mich montags darauf den 10ten eiusdem26 fruehe umb
8 Uhr nacher bemeltes Mühlhausen begeben, da-
selbst vorerwente Persohnen zue mir in daz Hochadlich-
Gemmische Schloß, und zwar in die obere Stuben, khommen
lassen, welche auch gebührendt erschinen. Denenselben
daraufhin in hochwerther Gegenwarth des hochwohlgebohrnen
Herrn, Herrns Friderich Antonii Barons von Löwenclaw27 etcetera,
Herrn zue Mühlhausen unnd Leningen28 etcetera, die Articul deüt-
lichen vorgelesen, sie ihrer gegen Gott und der Obrig-
kheit habenden Pflichten, mithin ihre Außag also zue
thuen, damit sie dieselbe auffm Fahl aydtlich erhalten29
khönnen; threulichen erinneret, zuemahlen vor falscher


24 Gerichtsbar.

25 Bedeutung: „Articul“ = Abschnitt, Gliederungseinheit eines gesprochenen oder geschriebenen Textes.

26 Lat. = desselben (Monats).

27 Er hatte das Dorf Mühlhausen pfandschaftlich übernommen (Brauer, Johann Nikolaus Friedrich: Beweis der Landsässigkeit des Lehens der Vasallen von Gemmingen im Hagenschies, nebst der Geschichte des darüber entstandenen Prozesses, und einer Anzeige der aus dessen Entscheidung entstandenen des Fürstlichen Hauses Baden besondern und sämmtlichen höchst und hoher Stände des Reichs gemeinen Beschwerden, in Sachen der Reichsritterschaft in Schwaben Orts am Neccar, Schwarzwald, und Ortenau, gegen des Herrn Marggraven von Baden Durchlaucht. Karlsruhe 1784, § 59). Die Familie erscheint in den Kirchenbüchern von Neuhausen als von Löwenstern.

28 Lehningen, Gde. Tiefenbronn PF.

29 Bedeutung: „auffm Fahl aydtlich erhalten“ = gegebenenfalls unter Eid aufrecht halten / eidlich bestätigen.

Zeügnus, wohlmeinendt verwarnet, welches sie dann
solchergestaltten zu verrichten zuegesagt.

Articulus primus30                           
Zeügens Außag:

Erster Zeüg:

1.
Wie Zeüg heisse und wie alt?

Responsum31: Simon Sickhinger, alt 87 Jahr.

2.
Wie lang er zue Hamberg wohn-
unnd seßhaft seye?                       

Responsum: Er seye alhier gebohren, habe
mit seiner Hausfrawen seelig 52
Jahr gehauset32 unnd anjezto 6 Jahr
 in Wittib-Standt33.

3.
Ob wahr und ihme noch wohl er-
innerlich, daz in anniz 33, 34, 35
unnd 36 in disen Landen Krieg ge-
wesen seye?                                     

Responsum: Ja, gar wohl; unnd khönne er
mit Wahrheitsgrundt attestier
und sagen, daz von der Zeit ahn, alß
er denckhen möge, immerdar
Krieg geweßen seye.

4.
Wie man daz Regiment, so in anno
1633 in dem Gemingischen ge-
legen34?                                                   

Responsum: Das Kellerische Regiment.
Sobald aber dasselbige marchieret, welches
yber 3 oder 4 Monath nicht darinen 
gelegen, seye frembdes und anderes,
sehr ybles Volckh khommen, unwissendt
aber, wie mans geheißen habe.


30 Lat. = erster Teil (hier: Punkt).

31 Lat. = Antwort.

32 Bedeutung: „gehauset“ = zusammengelebt.

33 Bedeutung: „anjezto 6 Jahr in Wittib-Standt“ = seit 6 Jahren verwitwet.

34 Hier fehlt ein Verb; mutmaßlich: geheißen, genannt.

5.
Wo der Obrist logieret und
wie er geheißen?                             

Responsum: Man habe ihne nur den Obrist
Keller geheißen, und habe derselbe
zu Steinegg im Schloß logiert,
weilen die gnedige Herrschaft
dazumahlen den 4ten Theil Kriegs-
und anderer Beschwerden35 habe
mießen helffen tragen.

6.
Waß Condition36 und Standts er da-
mahls gewesen, und ob er schon
verheyrathet ware?                         

Responsum: Er seye ein halbgewaxener
Pueb37 gewesen, und denckhe eß
ihme gar wohl, daz, als vorernent-
es Regiment marchieret, habe
der Obrist Keller bey der Stein-
egger Mühlin-Brucken ainen
Soldaten henckhen lassen, den
andern aber perdoniert38.

7.
Ob ihme auch wissendt, daz man
damahls neben denen wirckhlichen
Wintherquartiern39 auch schwere
Monathgelter40 habe geben
mießen?

Responsum: Eß seye mehrerntheils unord-
entlich hergangen, man habe denen
Soldaten Gelt geben mießen, was
sie gewolt haben; jedoch hab
ain Baur bald ainen gueten, der
andere aber bald einen schlimben
gehabt. Darbey weithers meld-
endt, daz sobald Herr Obrist Keller
abgezogen und frembdes Volckh
angelangt, seye alles yber und
undter sich gangen.


35 Bedeutung: „Beschwerden“ = Belastungen, Kosten.

36 Bedeutung: „Condition“ = (gesellschaftliche) Stellung (von Personen), Beschaffenheit, Zustand.

37 Bedeutung: „halbgewaxener Pueb“ = halbwüchsiger Knabe.

38 Bedeutung: „perdoniert“ = begnadigt.

39 Bedeutung: „wirckhlichen Wintherquartiern“ = zu gewährleistenden Winterquartieren (Unterkunft und Verpflegung für Soldaten).

40 Bedeutung: „schwere Monathgelter“ = belastende monatliche Geldzahlungen, die von den ritterschaftlichen Orten an den zugehörigen Ritterkanton (hier: Neckar und Schwarzwald) zu entrichten waren.

8.
Ob er nicht wiße, waß und
wer dazumahlen zu Mühl-
hausen im Quartier gelegen?           

Responsum: Dises seye ihme aigentlich nicht
bewust; allein habe er dazumahlen
wohl sagen gehört, daz zue Diefen-
brohn,41 Mühlhausen und Neühausen42 etcetera
auch voller Volckh lige etcetera.

9.
Ob er von denen Soldaten nicht
gehört habe, daz sie disem
oder jenem Fleckhen getrohet
haben?                                             

Responsum: Von disem habe er khein Wißen-
schaft, dann nach Abzug der Kel-
lerischen Trouppen und Ankhunft
frembden Volckhs seye eß ellend-
igelich hergangen; derentwegen
er sich mit einem bayrischen Reither
forthgemacht und als ein Knecht
bey ihme 10 Jahr gewesen. Und
entlichen, als er nacher Augspurg
mit ihme khommen, habe er sich
zu dem Landtsperg sodann mit
des Reithers Schwester verheyrathet,
daraufhin mit ihro ins Schweizer-
Landt gezogen, alwo sie einige
Zeit gediennet und bis 100 Thaler
erspahret, darauf wider nacher
Hämberg gezogen etcetera.

10.
Ob ihme noch waß wißndt, so zu
diser Sach waß diennlich?               

Responsum: Nichts; sondern endet mithin
seine Außag.


41 Tiefenbronn PF.

42 Neuhausen PF.

Testis Secundus.43
Articulus primus.

Wie er heisse und wie alt?               

Responsum: Jacob Lauth, alt 80 Jahr,
ein Schreiner.

2.
Wie lang er zue Mühlhausen
wohnhafft?                                        

Responsum: Ohngefehr 50 Jahr, sonsten von
Weyllerstatt gebürtig.

3.
Ob wahr unnd ihme bewust, daz
in annis 1633, 34 und 35 zue
Mühlhausen und selbiger Enden
Krieg gewesen?                                 

Responsum: So lang als ihme von Jugendt auf
denckhet, seye herumb Krieg ge-
wesen, und sonderbahr denckhe er
die Mannsfeldische44 Blinderung gar
wohl. Als es nun nachgehendts
alles undter yber sich gegangen,
seye er nacher Eßlingen unnd
Memingen khommen und auf dem
Hantwerch gearbeitet.

4.
Ob ihme nicht wissendt, wie
daz Regiment, so in dem Gem-
ingischen damahlen gelegen, ge-
nent worden seye?                           

Responsum: Daz wisse er nicht, dan er damahls
in Weyller Statt gewesen. Allein
daz wisse er wohl zu contestiern45,
daz in der Statt Weyl so grosse Noth
als auf dem Landt46 gewesen.

5.
Wer damahls umb Weyler Statt
und selbiger Enden herumb
gestreiffet und daz Landt also
verderbt?                                         

Responsum: Aigentlich wiße er die Trouppen
nicht als die Mansfeldische unnd
Tyllische47 zu nennen. Dann bald seyen
es Freündt, baldt Feindts Volckh
gewesen; und weilen er noch ein
frischer Jung von 14 oder 15 Jahren
ware, habe er’s nicht also in
Acht genomben48.


43 Lat. = der zweite Zeuge.

44 Mansfeld, Peter Ernst II. von; vgl. <https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Ernst_II._von_Mansfeld> (13.02.2023). 

45 Bedeutung: „contestiern“ = bezeugen.

46 Bedeutung: „so grosse Noth als auf dem Landt“ = ebenso große Not wie auf dem Land.

47 Tilly, Johann T’Serclaes von; vgl. <https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_T%E2%80%99Serclaes_von_Tilly> (13.02.2023).

48 Bedeutung: „habe er’s nicht also in Acht genomben“ = habe er nicht so genau darauf geachtet.

6.
Ob ihme nicht bewust, daz man
auf dem Landt nebst der Winther-
quartier auch schwere Geltter
habe geben miessen?                       

Responsum: Hieryber khönne er khein ge-
wiße Nachtricht nicht geben;
allein daz khönne er mit seinen
Pflichten49 wohl sagen, daz biß in
der Statt Weyl geheissen, daz man bald in disem,
bald in einem andern nechst an-
gelegenen Fleckhen geblinderet
und gebrendt oder andere Geltt-
Pressuren veryebet50 habe. Aller-
maßen nach Gestaltt der Partheyen,
bald die evangelische zue dennen
catholischen, bald dise zue jennen
geflochen seindt.

7.
Ob er hieryber gnueg und was
einen Biderman wohl anstehet
thuen khönnde?51                           

Responsum: Ja, in allweg52 endet mithin
auch seine Außag.

Driter Zeüg:
Articulus primus.
Wie er heiße und wie alt?               

Responsum: Wendl Wildt, alt 50 Jahr.

2.
Wie lang er alhier wohnhaft
und was Condition er seye?             

Responsum: Er seye von hier gebürthig,
ein Baursmann und einer
des Gerichts.

3.
Ob ihme wißendt, daz das Reich-
asche[?]53 Capital zu des Fleckhens
Mühlhausen gemeinsamben
Nuzen und zu Abwendung
grossen Ybls und unfehlbahrer
Execution54 angelehnet worden
seye?                                                 

Responsum: Ja, ganz wohl.


49 Bedeutung: „mit seinen Pflichten“ = pflichtgemäß, verbindlich.

50 Bedeutung: „Geltt Pressuren veryebet“ = Repressalien um Geld durchgeführt.

51 Bedeutung: Ob er hierüber in eines biederen Mannes Weise Genüge getan habe / ob er dieser Angelegenheit als Ehrenmann Rechenschaft abgelegt habe.

52 Bedeutung: „in allweg“ = in jeder Weise, hundertprozentig.

53 Gemeint ist: Reischachische (siehe Antwort auf Frage 4).

54 Bedeutung: „zu Abwendung grossen Ybls und unfehlbahrer Execution“ = um großes Unheil und die zwangsläufig folgende Vollstreckung (von Strafmaßnahmen) abzuwenden. (Gemeint sind angedrohte Strafmaßnahmen gegen das Dorf beim Nichtbezahlen von Geldforderungen.).

4.
Woher er solches mit Wahrheit
sagen khönde, da er doch damahls
annoch nicht gelebt?                       

Responsum: Darumben, weilen er gemelten
alten reischachischen Obligationsbrief55
hören lesen und selbsten gelesen
habe.

5.
Waß dann dise gemelte Ob-
ligation in sich gehalten, und
ob ihme solches annoch erin-
nnerlich?                                           

Responsum: Erstlichen, daz dises Capital der
600 [Gulden] wegen unerschwinglichen56
Kriegs-Cößten zue Abwendung
gresseren Ybls und unfehlbahrer
Execution seye vorgestreckht
und dargegen neben eines Stuckh
Waldts auch Trütt und Trott,
Wuhn und Waydt57 aller uf alhiesiger
Bahn ligender Güetther versezet
worden.

6.
Ob er hieryber gnueg thunn58
khonde?

Responsum: Ja, ganz wohl. Endet mithin
sein Außag. Silentio imposito
dimissus59.

Hiermit unnd also haben sie, Gezeügen60, allerseiths ihre
Außag geendet, und obzwar benante 2 Persohnen ein
zimbliches Alter auf sich, so seindt sie doch alle bey guet-
er Vernunft, Wüz und Verstandt61 geweßen; auch alle-
enthalben zue Weeg unnd Steeg gehn khönnen62.

Demnach nun ich ─ sacra imperiali authoritate publicus
notarius juratus63 ─ bey vorgehendem allem und jedem
selbst persöhnlich gewesen, der Zeügen Außag nach


55 Bedeutung: „Obligationsbrief“ = Verschuldungsschreiben, Zahlungsverpflichtungsschreiben.

56 Bedeutung: „unerschwinglichen“ = unerreichbarer, trotz aller Mühe nicht aufzubringender (Kriegskosten).

57 Bedeutung: „Trütt und Trott, Wuhn und Waydt“ = Weg und Steg, Wiesen- und Weideflächen.

58 Bedeutung: „gnueg thunn“ = Rechenschaft/Zeugnis ablegen.

59 Lat. = Entlassen mit Schweigeverpflichtung.

60 Bedeutung: „sie, Gezeügen“ = sie, die Zeugen.

61 Bedeutung: „bey guetter Vernunft, Wüz und Verstandt“ = im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte (wörtl.: bei Vernunft, Klarheit und Verstand).

62 Bedeutung: „zue Weeg unnd Steeg gehn khönnen“ = noch gut zu Fuß sind, (für ihr Alter) noch sehr rüstig sind.

63 Lat. = kraft der Machtbefugnis des Heiligen Römischen Reiches vereidigter Notar.

beschechener Erinnerung und pflichtmeßiger Vorhaltung
mit Vleiß64 registriert unnd in gegenwärthige Instruments-
Form, so mit meinem gehaltenen Prothocoll yberein-
stimmig gefunden worden, gebracht. Alß habe ich
zue mehrerer Beglaubung mich zue Endt mit meinem
Tauff- unnd Zuenahmen underschriben und mein gewohn-
liches Notariat-Pöttschafft65 hierauff getruckht. So geben
unnd beschechen66 zue Mühlhaußen an der Würmb, den

11ten Januarii ⌊1701⌋.

Johannes Lydl, Notarius
publicus Juratus67


64 Bedeutung: „Vleiß“ = Sorgfalt, Pflichtbewusstsein.

65 Bedeutung: „Pöttschafft“ = Siegelzeichen; an Briefe, Urkunden u. Ä. angehängtes Siegel.

66 Bedeutung: „geben und beschechen“ = zu Protokoll gegeben und beglaubigt.

67 Lat. = Notar des öffentlichen Rechts, rechtmäßig bestellter Notar.

Quelle Generallandesarchiv Karlsruhe 229/69229
Die Wiedergabe der Transkription folgt der Originalquelle buchstaben- und zeilengetreu.