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Gemeinde Knittlingen an Herzog von Württemberg 1654

Die Vertreter der Gemeinde Knittlingen1 bitten Herzog Eberhard III. von Württemberg2 nochmals dringend um finanzielle Hilfe, insbesondere um die Erhebung einer Steuer in anderen württembergischen Ämtern, damit die notwendigen Reparaturmaßnahmen an ihrer zerstörten und einsturzgefährdeten Kirche endlich finanziert werden können.

Der Maulbronner3 Vogt Bartholomäus Marchtaler4 unterstützt dem Herzog gegenüber am 21. November/1. Dezember 1654 das Gesuch.

[Knittlingen], im November 1654 (Ausfertigung)

Durchleüchtiger hochgebohrner
gnädiger Fürst unnd Herr.

Weihlen Euer fürstliche Gnaden vonn uns underthö-
nigst ybergebenen Supplicationen5 werden
dieselbe unsern laidigen Zuestandt deß Fleckhens,
wegen der abgebrandten Gebäwen unnd
sonderlich der Kürchen unnd deßelbigen Thurns6,
zuem öfftermahlen gnuegsamb verstanden
haben, wann dann durch Hilff unnd
Beystandt Euer fürstlichen Gnaden unnd Beyschuß7 etlicher
Ämbter wür die Kürch alhier wider ein
wenig repariert under das Tach gebracht,
die Stüel zuem Theil wider also ufgericht,
daß der Gottesdinst zimblichermaßen
in Trockhenem kann verrichtet werden.
Doch aber der Thurn noch gantz offen
unnd ohne Tachwerckh dastehet, zwey
gar kleine geringe Glöckhlin under dem
freyen Himmel hangen. Auch in der
Kürchen noch keine Fenster gemacht, weniger
Boden oder Bine gelegt und noch sehr vihl
daran zue bawen. Also das sonderlich Win-
terszeit gar große Kälte hinein gehet.
Unnd wa der Thurn, welcher gewölbt
nicht bey Zeiten gehandhabt und bedeckht
würdt, vonn Regen unnd Schnee also er-
waicht und erfreürt, daß zue besorgen,
solcher mit großem Schaden einfallen unnd
die andere Gebäw auch erschlagen möchte.
Nun haben wür uns durch obgesezte (zwar
wenige) Reparierung so entblößt8, daß
uns weiters etwas daran zue bawen
bey so geringer Burgerschafft ohne Hülff
unnd Beyschuß christlicher guetherziger
Leuth unmüglich. Gelangt deß-
wegen an Euer fürstliche Gnaden unser nochmalig
underthönig demüethigstes Flehen und
umb Gottes Willen Bitten, die geruehen
ihr gnädiges Belieben zue laßen, uns in etlich
Ämbter, alßda sein möchte (jedoch ohne
underthänige Maßgab) Güglingen9, Brackhen-
heimb10, Weinsperg11, Meckhmühl12 unnd
Newstatt13 etcetera oder andere Euer fürstliche Gnaden
gnädig beliebender Orten, eine Beysteür14 zu er-
samblen und einzuebringen, damit wür
bemelten Thurn und Kürchengebew möch-
ten widerumb ein wenig zuerechtbringen.
Wie nun solches geraicht zur Ehr Gottes,
auch uns, unsern Kindern unnd Nach-
kommen Wohlfarth, alß wollen umb
Euer fürstliche Gnaden würs jederzeit mit unserm
demüethigen Gebett underthönig so gehor-
sambst zu verdienen nimmermehr vergeßen.
Gnedigster Willfahrung uns underthönigst
getröstendt.

Euer fürstliche Gnaden
underthönig
gehorsambste

Schultheiß, Burgermeister,
Gericht und ganze Ge-
meind zue Knitlingen
deß Ambts Maulbronn.

Etcetera Gnedigster Fürst unndt Herr etcetera.

Des Fleckhen Knitlingen außgestandene unterschiedt-
liche Brand, sonderlich aber der Kircheneinäscherung,
ist leider bekant unndt der geringen Burgerschafft
Armuth unndt Unvermögenheit am Tag. Dahero ihnen
unmüglich, den von der Brunst verderbten unndt ohne
Tach stehenten Kirchenthurn zu repariren unndt vor
gentzlichen Einfall zu erhalten. Welches ich himit attesti-
ren unndt zue Euer fürstlichen Gnaden gnedigsten Resolution15
der Supplicanten16 unterthenigstes Ansuchen gehorsambist
stellen sollen, mich wie allweg zu beharrlichen Mildt
fürstlichen Hulden unterthenigst empfehlent. Datum den
21. Novembris anno 1654.

Euer fürstliche Gnaden

unterthenigst verpflicht gehorsambster
Vogt zue Maulbronn
Bartholomäus Marchtaler.


1 Stadt Knittlingen PF.

2 Württemberg, Eberhard III. Herzog von <https://de.wikipedia.org/wiki/Eberhard_III._(W%C3%BCrttemberg,_Herzog)> (01.03.2023).

3 Stadt Maulbronn PF.

4 Marchtaler Bartholomäus von (1606–1662), 1647/48 bis 1655 [Unter-]Vogt zu Maulbronn (Pfeilsticker, Walther: Neues Württembergisches Dienerbuch. Band 2, Stuttgart 1963, § 2605).

5 Lat. = Bittschriften, Bittgesuche.

6 Bedeutung: „der Kürchen unnd deßelbigen Thurns“ = der Kirche und des dazugehörigen Turms (wegen).

7 Bedeutung: „Beyschuß“ = Abgabe, Zuschuss, Finanzhilfe.

8 Bedeutung: „Nun haben wür uns durch obgesezte (zwar wenige) Reparierung so entblößt“ = Nun haben wir uns infolge der oben genannten (zwar nur geringen) Instandsetzungen dermaßen verschuldet, (…).

9  Stadt Güglingen HN.

10 Stadt Brackenheim HN.

11 Stadt Weinsberg HN.

12 Stadt Möckmühl HN.

13 Stadt Neuenstadt am Kocher HN.

14 Bedeutung: „Beysteür“ = Zusatzsteuer.

15 Lat. = schriftlicher Erlass, Verordnung, Statut.

16 Lat. = Bittsucher, Bittsteller.

Quelle Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 206 Bü 3633
Die Wiedergabe der Transkription folgt der Originalquelle buchstaben- und zeilengetreu.