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Gemeinde Ersingen an Markgraf von Baden-Durlach 1622

Der Ersinger1 Schultheiß Georg Friedrich Varnbühler erstattet Markgraf Friedrich V. von Baden-Durlach2 Bericht über Diebstähle in seinem Ort, die von dort einquartierten Soldaten begangen wurden, die jedoch inzwischen nach Grötzingen3 weitergezogen seien. Dabei sei eine Schlägerei zwischen einigen Soldaten und über dreißig Ersinger Bauern entstanden, weil sich die Soldaten nachts zum Zechen im Haus von Sadrach Trautz ohne Passierscheine aufhielten. Der Soldat Andreas Strobel sei bei dieser Schlägerei schwer verletzt worden, worauf dieser über seinen Leutnant mit den Bauern einen Vergleich zum Ersatz eines bei der Schlägerei verlustig gegangenen Geldbetrages sowie der wundärztlichen Behandlungskosten forderten. Die Soldaten hätten dabei durchblicken lassen, dass sie durchaus bereit wären, ihre Forderungen auch mit Gewalt durchzusetzen, falls man sie nicht zufriedenstellen sollte. Die Bauern wiederum würden auf Notwehr plädieren und sich weigern, Schadensersatz und Schmerzensgeld zu bezahlen, zumal die Täter unter ihnen aufgrund der nächtlichen Dunkelheit nicht eindeutig identifiziert werden konnten.

Ersingen, 14./24. April 1622 (Ausfertigung)

Durchleüchtiger etcetera.

Etcetera gnediger Fürst und Herr, Euer Fürstlichen Gnaden soll ich in Unnder-
thenigeit nicht pergen4, wie daß dieser Tagen zu Nacht
zwischen ettlichen Soldaten, so zuvor allhie ir Quartir gehapt,

unnd ettlichen Burgern allhie ein Schlaghandel vorgangen, der sich
folgender Stalten angespunnen: Nachdem die Soldaten allhie
wegkommen, seindt ihrer ettlich so tags, so nachts stetigs all-
hie geweßen unnd ist underschiedlichen Leutten allhie einge-
brochen und sonsten anders entwendet worden. Dann einem
Bauren in einer Nacht zwehn Hammel, nachgehendts5 wider
Käß und Dürrflaisch wegkhommen. Andern in die Keller
gebrochen und waß sie nicht wegbringen und drünkhen können,
in Boden lauffen laßen. So seindt auch ettliche Pflüg6 aller-
negst am Dorff gantz geblündert worden, also schier nie-
mandten nichts weder daheimpten noch uff dem Feldt sücher
geweßen. Dannenhero die Bauren starckh ge-
wacht. Als nuhn vor ungefehr 14 Tagen ettliche Soldaten,
so zuvor alhie gelegen, nachts zwischen 9 und 10 Uhren in
Fleckhen kommen und nicht im Würtshauß, sondern inn
einem andern Hauß unnd Schlupffwinckhell, Sadrach7 Trautzen
Hauß, welcher doch nicht zu Hauß, sonder im Quartier
zu Gretzingen geweßen, eingekehrt. Seindt die Bauren
zusammengeloffen und ob sie ettwaß anfangen möchten,
uff sie gewartet. Underdeßen aber ist der Würth alhie,
Hannß Kaspar, und der eine Schmidt, Gorgus Frey,
in daß Hauß, darinen diese Gesöllen gezehrt8, khommen,
sie befragt, wo sie herkhommen? Ob sie die Würthsheüßer
nicht wüßen? Und ob sie ihre Paßzettul9 haben, daß
allso bey Nacht daher khommen. Weilen nuhn solche keine
Paßzettul gehapt, haben diese Beede die Soldaten
zum Hauß hinaußgetrieben. Sobaldt sie uff die Gaßen khommen,
haben die Bauren zugeschlagen und fort in ihre Quartir
gewüßen. Und ist seithero keinem nichts mehr allhie ent-
wendet worden. Nuhn solle der ein Soldat mit Nahmen
Andreas Strobel, so seinem Vorgeben nach nie nichts Ungebühr-
lichs begangen unnd naher Pfortzheim10 ettliche Sachen zue
kauffen gewolt haben unnd doch under der Gesöllschafft
gefunden worden, unangesehen er offt hoch gebetten, ihne
nicht zu schlagen und allerdings außgezogen gewest, haben doch solches nichts helffen wollen.
Sonder also ubel geschlagen sein, daß er darvon salva[…]
einen Bruch bekhomen haben solle. Begehret dero wegen,
daß die Beede, so ihne zum Hauß hinaußgetrieben, weiln
die Bauren nit wüßen oder gestehn wöllen, welche ihne geschlagen,
sich mit ihme vergleichen. Fordert vor seinen Schaden und Hertzen
100 [Gulden] unnd dan verlohren Geltt, so er in eim Tüchlinge knipfft und
im Hutt liegen gehapt, 2 [Gulden] 3 [Kreuzer]. Balbiererlohn11 20 [Gulden], welches
aber diese Beede ohne Euer Fürstlichen Gnaden gnediges Bevehlen nicht
thun wollen. Solle diejehnigen suchen, so ihne geschlagen und hoffen,
weil die Soldaten also bey Nacht in Fleckhen khommen unnd nicht in
gebührlichen Orten eingekerth, auch keine Paßzettul bey sich ge-
hapt, darauß zu erachten, sie nicht Umbbringens willen komen
unnd so mann ihrer in vorfallender Noht12 bedörfft, wehren ihrer
keinne im Quartir unnd bey der Stell geweßen. Sie ihnen nichts
schuldig sein sollen. Will sich aber keiner finden, der eben dießen
geschlagen habe. Dann es allerfinster geweßen. Haben nicht
sehen können, welcher einer oder der ander seye. Seye auch gantz
kein Geltt funden worden. Sollen wohl uff die 30 oder mehr
Burger beysamen geweßen sein. Geben vor, wann Hannß
Caspar und der Schmiedt die Soltaten nicht ußer dem Hauß
getrieben, hetten sie nicht geschlagen, sie hettens dann an
einer That erwischt. Hab ihrer keiner ins Hauß
hinnein begehrt. Hannß Kaspar aber seye der Ursachen
in Sadrach Trautzen Hauß gangen, weil solch Hauß
halber seinem Brudern zustendig, so bey dem Amptmann
zu Stein diene. Deß Sadrachs Weib aber ihmmerdar die
Soldaten eingezogen unnd eingeleckhelt13, darauß dann hernacher
nichts Gutts erfolge. Sie solte die Soldaten, weil ihr Mann
nicht zu Hauß, nicht eingenohmen, noch ihnen Eßen und Drünckhen
geben oder geholt haben, dann sie kein Würtin. Habe
Gorguß Freyen nicht haißen mit ihm hinneüngehn.
Wann er daußen plieben, wehren die Soldaten auch nicht
außgetrieben noch geschlagen worden. So habe nach-
gehendts er, Gorgus, als sie beede schon wider auß dem
Hauß geweßen, den Soldaten auch kein Laidt geschehen, habe
er, Gorguß, die Thür uffgetretten und die Soldaten hinauß-
getrieben. Weil nuhn, gnediger Fürst und Herr,
der Herr Oberst-Leittenant Sigmundt von Landtsperg
einmahl begehrt unnd haben will, daß die Bauren sich
mit den Soldaten vergleichen oder in Verpleibung deßen,
er die Bauren, wo er deren gehaben möge, gleicherge-
stalten tractiren oder die Pferdt uff dem Feldt auß-
spannen laßen wolle, biß sie sich vergleichen. Welches
aber die Unnderthanen ohne Euer Fürstliche Gnaden gnediges Bevehlen
nicht thun wollen, sondern ein Theil uff den Andern schüeben thut.
Unnd weil dießer Soltat ein Zimmermann und so frisch
sey, darauß sie dann vermuothen, dießes nicht ein newer
Schaden sein möchte. Dießer Gregorius Frey und
Sadrach Trautzen Weib haben uber Bezahlung der
Schulden gleichsam gantz nichts in Vermögen. Als habe ein solches
Euer Fürstliche Gnaden ehe ettwann weiter Unheil entstehn möchte,
in Underthenigkeit zu berüchten nicht underlaßen unnd dero-
selben gnedigst fürderlicher Resolution14, weil dißer Soldat
druff dringen thut, ehe sie auffbrechen gehorsamblich er-
warten sollen.

Hochermeltt15 etcetera.
Ersingen, den 14ten Aprilis anno 1622

Euer Fürstliche Gnaden
unndertheniger
gehorsamer
Georg Friderich Varnbiller etcetera.


1 Ersingen, Gde. Kämpfelbach PF.

2 Baden, Markgraf Friedrich V. von <https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_V._(Baden-Durlach)> (02.02.2023).

3 Grötzingen, Stadt Karlsruhe KA

4 Vorenthalten.

5 Bedeutung: „nachgehendts“ = nachfolgend, darauf folgend.

6 Acker; Landmaß, dessen Größe die Haltung eines Pfluges rechtfertigt oder das man mit einem Pflug bearbeiten kann.

7 Evtl. Namensvariante von Schadrach (Altes Testament, Daniel 3,12).

8 Evtl. auch: gezechet.

9 Passierscheine.

10 Stadt Pforzheim PF.

11 Behandlungskosten für den Wundarzt (Barbier, Bader).

12 Bedeutung:„in vorfallender Noht“ = in berechtigter Notwehr.

13 Bedeutung: „eingeleckhelt“ = umschmeichelt.

14 Lat. = schriftlicher Erlass, Verordnung, Statut.

15 Bedeutung: „hochermeltt“ = hochwichtig.

Quelle Generallandesarchiv Karlsruhe 88/524
Die Wiedergabe der Transkription folgt der Originalquelle buchstaben- und zeilengetreu.