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Bericht des Amtes Neuenbürg über die Kriegskosten bis 1624

Bürgermeister, Gerichts- und Ratsmitglieder des Amtes Neuenbürg1 beklagen in ihrem Bericht an die herzogliche Kanzlei, dass die amtsansässigen Untertanen die ihnen in den letzten beiden Jahren auferlegten Kriegskosten infolge eigener großer Armut kaum mehr zu tragen in der Lage seien und bitten deshalb um Verschonung von weiteren Einquartierungen verbündeter militärischer Einheiten.

Neuenbürg, 1624 (Abschrift)

Newenbürg.

Was Statt und Ambt vor sich selbsten nun-
mehr innerhalb 2 Jaren mit dem
stetigs gehabten2 Soldaten vor Schaden uß-
gestanden, darf es keiner weitläufigen
Special-Erzehlung; sintenmahl3 es die
Ambts-Rechnungen clärlich zu erkhennen
geben, das nunmehr in solcher Zeit
uf die 8.000 [Gulden]4 Uncosten ufgeloffen5, wie
dann ainig und allein zu Abrichtung
des Kriegscostens und Ambtsschaden
in jüngstverschinen6 Jahr fünfthalb Umb-
lagen eingesamblet worden. Wie nun
hierdurch Statt und Ambts verhin gar
schlechtes und geringes Einkommen ge-
schwecht, in gleichem der arme Mann
ersogen, wie mit wenigen in ellend-
liches Verderben und grundtlichen Un-
dergang gestürzt worden, ist leicht-
lich und ohnschwehr zu ermessen.7 Sin-
tenmahl8 offt ein unvermöglicher9
armer Gesell zwen Soldaten halten
müessen, da er doch selbsten nichts
weder zu beissen noch zu brechen ge-
habt, sondern mit seinen Kindern
selbsten am Hungertuoch nagen müessen.
Und ob nun Gott einem solchen ar-
men Gesellen etwan zu einem Bachet-
linfrucht10 geholfen, welches er doch
in der Marggrafschafft mit dop-
peltem Gelt als ein Malter11 Kornen
mit 60, auch bis in die 70 [Gulden] be-
zahlen müessen, so ist es doch gleich-
samb in zwayen Tagen wider geessen
worden und ufgangen. Dahero sich
also mancher armer Gesell in solche
Schulden verdiefft, die ihme gleichsam
die Tag seines Lebens zu bezahlen un-
müglich. Weil dann den im
Ambt Newenbürg eingeseßnen
armen, ins Ellend und Armuoth gesezten
Underthonen disen grossen Last undt Schaden
einmahl allein zu tragen unmüglich,
auch Statt undt Ambt Newenbürg
gleichsamb der Paß hinauf ins Landt
dahero dann die Verwahrung, sowol
den droben im Landt als hiesigen Un-
derthonen zu Schuz gedient. Alß12 isst
Burgermaister, Gerichts und Raths13 zu
Newenbürg, auch allen Ambtzangehö-
rigen in Statt und Ambt hochfleissiges
Anrüessen14 und Pitten, ein ehrsame,
löbliche Landschafft15 wöllen, nach Erweg-
ung der Sachen Beschaffenhait, Statt
und Ampt nit in Schaden ligen lassen,
sonder solchen Kriegscosten, der sich dan
viltausent Guldin erstreckht, nach
Gebühr ablegen16. Beneben17 aber,
weil gehörter Gestalt meniglich18 er-
schöpfft und ersogen und künfftig der-
gleichen Beschwerdten zu tragen un-
müglich, bey Iren Fürstlichen Gnaden gnedigst
underthönig zu pitten, Statt unndt
Ambt Newenbürg, wo es nit die
höchste Noth (die doch Gott gnedig ver-
hüetten wölle) erfordern möchtte,
mit fernerer Einquartierung der
Soldaten künfftig gnedig zu verschonen


1   Stadt Neuenbürg PF.

2 Bedeutung: „stetigs gehabten“ = ständig einquartierten [Soldaten].

3 Bedeutung: „sintenmahl“ = zumal, wiewohl.

4   Randvermerk im Original links von dieser Zeile: „8 000 fl.“

5 Bedeutung: „Uncosten ufgeloffen“ = Unkosten sich angehäuft haben.

6 Bedeutung: „jüngstverschinen [Jahr]“ = im letzten (jüngst vergangenen) Jahr.

7 Übersetzung: „Es ist unschwer zu ermessen, wie hierdurch Stadt und Amt weithin infolge spärlicher Einnahmen geschwächt worden sind, was den einfachen, armen Mann gleichermaßen miteinbezieht, der mit dem Wenigen, was ihm noch geblieben ist, in Elend und Untergang gestürzt wurde.“

8 Bedeutung: „sintemahl“ = da, weil, indem.

9 Bedeutung: „unvermöglich“ = nicht begüterter, kein Vermögen besitzender [armer Mensch/Standesgenosse].

10 Bedeutung: „Bachetlinfrucht“ = Backwerk, Gebäck.

11 Bedeutung: „Malter“ = ein altes (regional unterschiedliches) Zähl- und Volumenmaß für Getreide, Holz, Kohlen und Torf.

12 Bedeutung: „alß“ = also.

13 Bedeutung: „Gerichts und Raths“ = Gerichts- und Ratsmitglieder.

14 Bedeutung: „hochfleissiges Anrüessen“ = unermüdliches (höchst dringliches) Anliegen.

15 Bedeutung: „Landschafft“ = Landstände.

16 Bedeutung: „ablegen“ = vergüten, abfinden.

17 Bedeutung: „beneben“ = des Weiteren, neben dem eben Genannten.

18 Bedeutung: „meniglich“ = allesamt, jedermann.

Quelle Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 29 Bü 37
Die Wiedergabe der Transkription folgt der Originalquelle buchstaben- und zeilengetreu.