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Bericht des Amtes Maulbronn über die Kriegskosten bis 1624

Das Maulbronner1 Amt beklagt in seinem Bericht an die herzogliche Kanzlei die hohen, detailliert bezifferten Kriegslasten der Einwohnerschaft; so seien im Herbst 1621 etliche hundert kranke Soldaten, teils mit Frauen und Kindern, aus der Pfalz in die Dörfer des Amts gebracht und den ganzen Winter über bei den Bauern einquartiert worden, wodurch in viele Haushalte Seuchen eingeschleppt wurden. Auch wird beklagt, dass die beim Kriegsrat eingereichten Bittgesuche um die zugesicherte Erstattung der Kosten für die Einquartierungen bislang erfolglos blieben.

Maulbronn, im Jahr 1624 (Abschrift)

Maulbronner
Ambt.

Es seyen im Herpst anno 1621 nach undt
nach etlich Hundert kranckhe Soldaten
sambt iren Weib und Kindern von
der Pfalz ußerm Leger auf Wägen
und Karren in die Ambts-Fleckhen
gebracht worden, welche den ganzen
Winter yber ob den Bauren gelegen
und nit allein vil Ungemach2 undt
grossen Costen verursacht, sondern
auch vil Haußhaltungen und Gemeinden
angesteckht. Und obwol für diejeni-
gen, deren Namen man von ihnen
erfahren mögen, etwas und in die
464 [Gulden] den Underthonen zu Er-
gözung3 gegeben, so ist doch für die
yberige, so gestorben, entloffen oder
ire Namen verhalten, noch im Usstandt
gepliben, so under dem Ampt umbge-
legt und eingezogen werden müesste
yber die  ——— 400 [Gulden].
Gleich darauf den 1ten Maii anno etcetera 6214
ist das ganze Regiment zu Fuoß
in das Ambt uf den Abdanckh-Blaz5
gefüehrt worden und bis zum Ab-
danckhen 19 Tag darinn verharret.
Da dann die Capitain und ire
Officier zum Thails etlich Zettel6 under-
schriben und gewiße Bezahlung ver-
sprochen, es ist aber bis tato yber
vilfältig underthönig Suppliciren7
und beym Kriegsrath beschehener
Vertröstung weder Heller noch
Pfenning ervolgt; deren under-
schribne Zetel vermögen
——— 792 [Gulden] 15 [Kreuzer].
Der yberige Uncost8, den die andere
Capitain und Officier nit underschrei-
ben wöllen, ist auch under die Un-
derthonen umbgelegt worden,
namblich  ——— 778 [Gulden] 33 [Kreuzer].
Was sonsten die gemeine Knecht9
yber empfangnen Commiss10, bei wel-
chem sie sich nit ersettigen lassen, den
Underthonen für Schaden gethon, will
man gern schwinden lassen undt
hiehero nit mehr gedenckhen.
Das damahlen versprochne Service-Gelt
aber ist auch noch im Usstandt yber
die  ——— 1.800 [Gulden].
Es würdt auch der Uncost uf die
Ußwahl11 von Aurach12, Kirchhaimb13,
Göpping14 und andern Ämbtern, so
zum andern Mahl den Winter
yber in den Grenz-Fleckhen hier-
umb einquartiert gelegen, alda
umbgangen.
Betreffendt das württembergisch
und schwäbischen Krayßes Kriegs-
volckh zu Roß und Fuoß, mit wel-
chem diß Ambt schon yber Jahr und
Tag ohne Underlaß belegt undt
beschwert worden, hat man denn
20ten Septembris abgelofnen 22. Jars15 dem
woledlen gestrengen Ludwig Andreae
Lämblin16 etcetera, fürstlich-württembergischer General-Com-
missario, ein ußfüehrliche Specifi-
cation17 aller derselben bestendige
und unbestendige Quartieren,
auch grossen Ybermachten Unco-
stens und wie sie sich darinnen
verhalten, in angestelter Tagsaz-
ung zu Brackhenhaim18 ybergeben
und darbey pitten lassen, weil
die Ritterschafft damahlen schon
yber die  ——— 20.000 [Gulden]
ybermüetigerweis ufgewen-
det und gar kein Commiss, weder
an Brot, Wein, Flaisch auch andern
empfangen, das den Undertho-
nen doch ein bittenliches undt
so vil die Ordinanzen beiden möge
zur Ergözligkait19 widerfahren
und ihnen an irem Sold abziehen
lassen solte. Es seyen aber
mehr nit weder 2.500 [Gulden] uf
Ir Fürstlichen Gnaden Ratification20 angebotten
worden, welches dises Ambt
gegen einer so grossen Summa eben
vil zu wenig sein bedunckht (in
Erwegung, wan uf jeden Reütter
tags nur 1 Mas Wein, item21
Brott, Flaisch, Hew und das Service,
rechnet es yber 9.000 [Gulden] erloffen)
und derhalben protestirt22 worden.
Das man solche und andere mehr Be-
schwernußen sambt und sonders ins-
künfftig an gehörigen End und Orten
gebürendt anzubringen, von gemeinen
Ambts wegen reservirt23 und vorbe-
halten haben wölle.
Und vermög die Specification bis uf
den 18ten Augusti anno etcetera 62224, so uf
die Ritterschafft gangen
——— 22.611 [Gulden] 34 [Kreuzer].
Es ist aber damahlen nit alles einkom-
men, sondern seithero und zuvor zu
Illingen25 und Weyssach26, ferner ufge-
lassen sein, befunden worden
—————— 3.250 [Gulden].
Die Verehrungen und Ranzionen27, so Capi-
tain und derselben Officier, auch Regi-
ment, Schultheüs, Spitler28 von Under-
thonen gebracht, sovil uß Einkommen
berichten am Tag, belauffen sich yber
—————— 1.000 [Gulden].
Letstlichen stehet aus denjenigen, so
die Capitain ire Leütenant, Fenderich29,
Veldwaibel30, Sersanten31, Furier32, Copral33,
Musterschreiber, Veldscherer34 und Ge-
freyte gehabt, die kein Commiss em-
pfangen wöllen und zum Thail etwaz
mehrer Thail, aber ohngeacht der
Ordinanz35 weder Heller noch Pfenning
bezahlt, sonder ohne guot Nacht dar-
vongezogen. Deßgleichen was
die Burgermaister vonn ge-
meiner Fleckhen wegen für solche,
item die Außwahl und andere Sol-
daten, im Marchiren und Nächtläger
richtig zu machen versprochen. So-
dann, was die Officier in Würths-
häußern uf die Communen thails
yberflüssig verzehrt, item Uncosten,
bis das Commiss richtig gemacht
und abgehohlt sambt Pottenlohn36
und andern insgemain erstat-
tet werden muoß,
—————— 17.104 [Gulden].
Summa 67.736 [Gulden] 22 [Kreuzer].
Und ist dasjenig, was die gemeine
Knecht, die sich sambt iren vilen Weib undt
Kindern bey irem Commissbrott bey
weitem nit betrogen37 mögen,
sondern die Underthonen, denen sie
yber das Brott und Gemüeß vil-
fältig Wein, Flaisch, Visch und Gebrat-
tens mit Gewalt abgetrungen
und namblich vil, vil tausent Guldin
gecostet; auch was sie inen durch
Einbrechen und Ußtragen entfremb-
det, welches unmüglich zu specificiren38
hierunder kein Heller nit verstan-
den.
Dergleichen würdt auch das Vermög
der newen Ordonanz versprochen
Service-Gelt, darfür noch kein Baz39
vorhanden, nit gerechnet, welches
sich ungevarlichem Yberschlag nach
erstreckht in die  — 15.000 [Gulden].
Durch welchen grossen, langwirigen Yber-
last das ganze Ambt dermassen ener-
virt40, ersogen und entblöst worden,
das auch die vermögliche Pauren und Un-
derthonen, die sonst zu andern Jahren
ein, zway oder mehr hundert Guldin
uß Früchten erlost, jezo schon alberait
keinen Scheffel mehr im Vorrath haben,
sondern selbsten Früchten erkauffen
müessen und die noch lang bevorstehen-
de Ernd nit erwartten könden.
Und ist das das Allerärgste, da sie
schon das Pargelt41 in Handen, sie doch
in diser Gegend da eben alles uß-
geessen, keine umb Bezahlung mehr
zu bekommen getrawen.
Hieraus scheinet nun offenbahr, wie
hoch und unerträglich dises Ambt vor-
hin arme Underthonen (welche
jeziger Zeit gemachter Tax nach
dem Closter Maulbronn und sonsten jär-
lich für Hagel und Wind, es wars
oder nit, yber die 40.000 [Gulden] zuo
unablösigen Gülten und Heller Zin-
sen zu raichen schuldig) bey jezigen,
ohne des clämmen42 und teüren Fohren,
vor allen andern Stätt und Ämbtern
im ganzen Herzogthumb Württem-
berg etcetera schon in das dritte Jahr con-
tinue43 beschwert und betrogt worden.
Also das nit unbillich sich Jedermann
verwundern solle, wie es doch die
Leüth bißhero erschwingen und dise böse
Zeit yber bei haußlichen Ehr n und Wohn-
nungen umb- und beyeinander bleibenmögen etcetera.


1 Stadt Maulbronn PF.

2 Bedeutung: „Ungemach“ = Belastungen, Sorgen, Nöte.

3 Bedeutung: „Ergözung“ = Gegenleistung; Entschädigung, Wiedergutmachung; Belohnung.

4 Gemeint ist das Jahr 1621.

5 Bedeutung: „Abdanckh-Blaz“ = Abdankungsplatz (Platz, auf dem z. B. Kriegsbedienstete entlassen werden).

6 Bedeutung: „Zettel“ = Schuldscheine, Zahlungsverpflichtungen.

7   Bedeutung: „bis tato yber vilfältig underthönig Suppliciren“ = bis heute ungeachtet zahlreicher, untertänig eingereichter Bittgesuche.

8 Bedeutung: „der yberige Uncost“ = die weiterhin ausstehenden Unkosten.

9 Bedeutung: „gemeine Knecht“ = einfache Landsknechte, Fußsoldaten.

10 Bedeutung: „Commiss“ = Verpflegung der Soldaten, Heeresvorräte.

11 Bedeutung: „Ußwahl“ = Landesauswahl, Landmiliz.

12 Stadt Bad Urach RT.

13 Stadt Kirchheim unter Teck ES.

14 Stadt Göppingen GP.

15 Gemeint ist das Jahr 1622.

16           Lämblin (Lemlin) von Reinhardshofen, Ludwig Andreas, 1621–1626 württembergischer Rat im Oberrat und ab 1622 Generalkriegskommissar (Pfeilsticker, Walther: Neues Württembergisches Dienerbuch. Band 1, Stuttgart 1957, § 1196, 1479).

17 Bedeutung: „ußfüehrliche Specification“ = genaue/detaillierte Auflistung.

18 Stadt Brackenheim HN.

19 Bedeutung: „Ergözligkait“ = Gegenleistung; Entschädigung, Wiedergutmachung; Belohnung.

20 Bedeutung: „Ratification“ = Genehmigung, Bestätigung (von lateinisch „ratus“ = „berechnet, gültig, rechtskräftig“ und „facere“ = „machen, tun“).

21 Lat. = ebenso, gleichsam.

22 Bedeutung: „protestiren“ = Einspruch einlegen, widersprechen.

23 Bedeutung: „reserviren“ = zurückhalten, aufsparen.

24 Gemeint ist das Jahr 1622.

25 Illingen PF.

26 Weissach BB.

27 Lösegeld zum Loskauf aus Kriegsgefangenschaft.

28 Bedutung: „Spitler“ = Vorsteher eines Spitals.

29 Bedeutung: „Fenderich“ = Fähnrich.

30 Bedeutung: „Veldwaibel“ = Feldwebel.

31 Bedeutung: Sersant“ = Sergeant, Unteroffizier.

32 Bedeutung: „Furier“ = für die Verpflegung und das Rechnungswesen einer Einheit verantwortlicher Unteroffizier.

33 Bedeutung: „Copral“ = Korporal (niedrigster Dienstgrad eines Unteroffiziers).

34 Bedeutung: „Veldscherer“ = Feldscher (militärischer Wundarzt).

35 Bedeutung: „Ordinanz“ = Anordnung, Vorschrift, Befehl.

36 Bedeutung: „Pottenlohn“ = abgeleitet von „potten“ = Küchengeschirr; möglicherweise: Bezahlung der Küchenbediensteten.

37 Bedeutung: „betrogen“ = zufrieden geben, bescheiden.

38 Bedeutung: „specificiren“ = beziffern, genau bestimmen.

39 Bedeutung: „Baz“ = Münze, vermutlich: Batzen (Silbermünze im Wert von 4 Kreuzern).

40 Lat. = strapaziert, zermürbt.

41 Bedeutung: „Pargelt“ = Bargeld.

42 Bedeutung: „clämmen“ = mangelnden.

43 Bedeutung: „continue“ = fortwährend, andauernd.

Quelle Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 29 Bü 37
Die Wiedergabe der Transkription folgt der Originalquelle buchstaben- und zeilengetreu.