Amt Neuenbürg an Herzog von Württemberg 1630
Obervogt und Untervogt zu Neuenbürg1, Jost Faber2 und Johann Friedrich Mumprecht3, erstatten Herzog Ludwig Friedrich von Württemberg4 Bericht über Hinweise zur bald drohenden Besetzung der Kirche zu Dobel5 durch Nikolaus Brenneisen6, den Abt des rekatholisierten Klosters Herrenalb. Sie bitten um Entscheidung zur Verlegung von Musketieren nach Dobel zur Sicherung und zum Beistand der Einwohnerschaft. Die Vögte teilen mit, dass der verstorbene Georg Finck aus dem im Amt Herrenalb gelegenen Dobel’schen Filialort Rotensol7 ohne Informierung des Schultheißen und der Bürger und zudem ohne Glockenläuten in Dobel beigesetzt worden sei. Der Pfarrer Dobels sei angewiesen worden, gegenüber Herrenalb standhaft zu bleiben und sein lutherisches Amt weiter auszuüben.
Neuenbürg, 24. September/4. Oktober 1630 (Ausfertigung)
Durchleüchtiger hochgebornner Fürst,
Euer fürstliche Gnaden seyen unser underthenig gehorsamb
verpflicht schuldige Dienst eüßerstem Vermögens
jederzeit zuvor8.
Gnediger Fürst undt Herr. Verwichenen Sambstag
hat Schulthaiß zue Dobel Jeorg Welltz mir, dem
Obervogt, angefüegt, er seye berichtet, der jetzige
vermeindte9 Abt zue Herrenalb, Niclaus Brandt-
eißin, seye die Kürchen sambt selbigem Anhang
zue Dobel nechsten Tagen zue occupieren ge-
meindt10, weßen er sich nun zu verhalltten, mechte
er vonn mir vernemmen. Hierauff gedachtem
Schulthaißen angeditten worden, man wolle nit
hoffen, etwas de facto zue tentiren11. Da eß auch
wider Hoffen beschehen, mieste man eß Euer fürstlichen Gnaden
so tags so nachts underthenig berichten unndt
fernern gnädigen Beschaidts gewerttig sein. Endtzwischen
aber wolle ich ihme auß dem Ambt etliche Muß-
quetierer, Gewalltthätigkheit zu verhüeten, weiln sich nur
acht im Closter befinden, verordnen,
welcher sich aber neben seiner Burgerschafft
mans gnueg zue sein. Auch allen incommoditalibus12
vorzusein verlautten. Solches also in seinem
Orth beruehen lassen. Nichts desto weniger
werden wür von dem Pfarrer undt Schultheißen
an jetzo berichtet, allß Jeorg Finckh von
Rothensohl – ein Filial, Herrenalber Ambts –
gestrigs Tages mit Todt abgangen, der Caplan selbigen
nacher Dobel alßbalden tragen, parentiren13 und
auff den Kürchhoff unwissendt deß Schultheißen
undt ganßer Burgerschafft ohn einigen Glocken-
straich begraben laßen. Neben dißem procedere14
hat auff vorhergehenden Abendt deß Abts Ab-
khündigung der Caplan gleichergestalt dem Pfarrer
zue offtbesagtem Dobel bey Kayßerlichen Mayestät höchster
Ungnadt sich der Kürchen zue bemießigen, selbige
auch sambt dem Pfarrhauß innerhalb
acht Tagen zue rohmen (quis nescimus fundamentis)15
mandirt16. Welcher sich auch deß Predigen undt der
Bettstundt (deme wür sonsten nichts zu befehlen,
aber unserm Bedunckhen nach nit gebillicht),
darumben abschrekhen lassen. Einweg alß
den andern aber ist die Kürchen noch under sein,
deß Pfarrers, Gewahrsame gesperrt. Gleich
wie nun angeregter Pfarrer zue Dobel solches
dem Speciali17 zue Willdtbad18 notificiert19, alß
wirdt ermelter Special unzweiffenlich dißes
auch underthenig berichtet, sich auch rebus sic
stantibus20 nicht ex tempore21 (deme wür sonsten
nichts vorschreiben) resolvirt22 haben. Damit
aber Euer fürstliche Gnaden Jura observirt23 unndt sovil
müglich in Acht genommen, ist endtzwischen viel-
besagtem Pfarrer zue Dobel, in Ansehung wür
mit dem geweßnen Apt zue Herrenalb
– sich anjetzo alhie halltendt – communicirt24,
wüder nacher Dobel zu verfügen. Weilen die Sontags-
predigt ihm auch abgeschreckht, morgen die
Predigt neben dem Gebett zu verrichten, sich auch
im geringsten mit den Herrenalbischen biß
auff weiter Verordnen einzuelassen, ange-
dütten25 worden. Welches Euer fürstlichen Gnaden wür eyl-
fertig underthenig berichten undt deroselben
gnedige Resolution26 erwartten, Euer fürstliche Gnaden
unß beneben , wie alwegen gehorsamblich be-
richten wollen. Datum den 27ten Septembris 1630.
Euer fürstlichen Gnaden
underthenig
gehorsam
verpflichte
Ober- undt Undervögt
zue Newenbürg
Jost Faber
Johan Friderich Mumprecht
1 Stadt Neuenbürg PF.
2 Faber, Jost, 1622–1628 Obristleutnant, 1628–1633 Obervogt zu Neuenbürg (Pfeilsticker, Walther: Neues Württembergisches Dienerbuch. Band 1, Stuttgart 1957, § 1606; Band 2, Stuttgart 1963, § 2654).
3 Mumprecht, Johann Friedrich, (Unter-)Vogt zu Neuenbürg 1627–1631 (Pfeilsticker, Walther: Neues Württembergisches Dienerbuch. Band 2, Stuttgart 1963, § 2660).
4 Württemberg, Ludwig Friedrich Herzog von https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Friedrich_(W%C3%BCrttemberg-M%C3%B6mpelgard) (TT.MM.JJJJ).
5 Dobel CW.
6 Brenneisen, Nikolaus, 1630–1632, 1634–1642 Administrator bzw. (ab 1642) Abt des Klosters Herrenalb http://www.zisterzienserlexikon.de/wiki/Brenneisen,_Nikolaus (TT.MM.JJJJ).
7 Rotensol, Stadt Bad Herrenalb CW.
8 Bedeutung: „seyen … zuvor“ = sei(en) versichert.
9 Bedeutung: „vermeindte“ = zugemessene, eingesetzte.
10 Bedeutung: „seye … zu occupieren gemeindt“ = habe vor … zu besetzen.
11 Bedeutung: „de facto zue tentiren“ = tatsächlich zu versuchen.
12 Lat. = unangemessene Handlungen (wörtl. = Unannehmlichkeiten, Schäden).
13 Bedeutung: „parentiren“ = eine Leichenrede halten.
14 Lat. = Vorgehensweise, Verfahrensweise.
15 Lat. = auf welcher Grundlage, wissen wir nicht.
16 Bedeutung: „mandiren“ = befehlen, gebieten.
17 Spezialsuperintendent (Dekan).
18 Stadt Bad Wildbad CW.
19 Bedeutung: „notificiert“ = mitgeteilt, angezeigt.
20 Lat. = bei gleich bleibenden Umständen.
21 Lat. = sogleich, aus dem Stegreif.
22 Bedeutung: „sich resolvirt haben“ = sich entschlossen haben.
23 Bedeutung: „Damit aber Euer fürstliche Gnaden Jura observirt“ = damit aber Euer Fürstlicher Gnaden Rechtsansprüche gewahrt (werden).
24 Bedeutung: „in Ansehung … communicirt“ = in Besichtigung/Beobachtung/Betrachtung (von etwas) mitgeteilt.
25 Bedeutung: „angedütten“ = zum Ausdruck gebracht, mitgeteilt; amtlich bekannt gegeben.
26 Bedeutung: „Resolution“ = Beschluss, Beschlussfassung.
Quelle | Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 489 Bü 13 |
Die Wiedergabe der Transkription folgt der Originalquelle buchstaben- und zeilengetreu. |