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Amt Maulbronn an Herzog von Württemberg 1639

Der Maulbronner1 (Unter-)Vogt Christian Heroldt2 berichtet über die in Vaihingen an der Enz3 durchgeführte Huldigung durch Vertreter von 20 der 24 Maulbronner Amtsgemeinden, nachdem die Schultheißen im Huldigungsfall vom rekatholisierten Kloster Maulbronn mit harten Strafen wegen Meineids bedroht worden waren. Vor allem der Lienzinger4 Schultheiß Hans Sidler5  habe sich gegen die Teilnahme an der Huldigung gewehrt und die anderen Schultheißen aufgewiegelt, sei aber inzwischen nach Bretten6 geflohen.

Vaihingen, 8./18. Juni 1639 (Ausfertigung)

Durchleüchtiger hochgeborner Fürst, Euer Fürstliche Gnaden sein
mein underthenige pflüchtschuldige Dienst zuvor7 etcetera. Gnädiger
Fürst und Herr.

Euer Fürstliche Gnaden soll in undertheniger Relation8 ich gehorsamlich nicht
verhaltten, daß nachdem am verschinenen heyligen Pfingstag
Euer fürstliche Gnaden gnädiger Ambtzbevelch und Instruction9 zue
der Vogtey Maulbronn durch einen Cantzleybotten mir zue
Winneden10 behändigt worden, ich mich gleich dinstags darauff,
denn 4ten Junii, nacher Vayhingen erhebt, bey Euer Fürstliche Gnaden Vog-
ten daselbsten, Anßhelm Riegern11, gnädig anbevohlenermaßen
angemeldet und ihme meiner habende gnädige Commission12 er-
öfnet. Warauf er noch selbigen Tags die Außschreiben – Innhalts,
daß weyl von wegen hochgedacht Euer Fürstliche Gnaden er mit denen
Maulbronnischen Schultheißen und Underthonen Sachen, ihre zeitliche
und öwige Wolfarth betreffendt, zu verhandlen, sie demnach
sambt jedes Fleckhen13 Burgermaistern und Außschutzen14 uf Don-
nerstag, denn 6ten Junii früeh vor ihme alhie erscheinen solten etcetera –
an alle 24 Maulbonner Amptzfleckhen außgeferttigt
und durch vier außrichtsame15 Botten fortgeschickht. Warauff
sich mehrentheils in ihren denen Botten ertheilten recepisse16
gehorsamlich zu erscheinen erclärt. Weiln aber der widerspen-
stige Schultheiß zue Lientzingen, Hanß Siedler, dem ihme ge-
schickten Botten Hanß Ratzeln nit allein daß an ihn abgange-
nes Außschreiben, sondern auch noch vier andere, so er nacher
Schmier17, Freüddenstein18, Öelbronn19 und Knittlingen20 tragen
sollen, wider geben mit Vermelden, er solle nur nit weitter-
gehen, es nemme khein Schultheiß die Schreiben von ihm an etcetera.

Und anders mehr getriben, wie sein Numero 1 beygelegter Zeddull21
an hießigen Vogt außweißet, zudem gleichfallß der Schultheiß
zu Dieffenbach22 sein Außschreiben gleich nach deßen Empfang
in daß  Closter Maulbronn getragen. Alß haben deßen
Innhabere alßbalden einen aigenen Botten mit einem Abmah-
nungszedull, dem Vogten uf bestimbte Zeit nit zu erscheinen,
im Ambt herumblauffen laßen. Welcher hernach vom Schulthei-
sen zue Öttißheim23 mir gebracht und dißer Relation Numero 2
beygelegt worden. Warauff ervolgt, daß nachdem dadurch

die arme hechstgeängstigte Underthonen hinderschlechtig und zweife-
lig24 gemacht worden, deren uf benambsten sechsten Junii sich mehr
nit eingestelt, alß daß hierüber gehaltene Protocollum Numero 3
sub litera25 A. mit sich pringt. Bey deren Erscheinung dann, ihnen
forderist Euer Fürstliche Gnaden mir gnädig ertheilter Ambtzbevelch
vor mehrbesagtem Vogten zue Vayhingen eröffnet und nach-
gehentz, daz in Nahmen und von wegen hochgedacht Euer Fürstliche Gnaden
sie mir die neüverordneten maulbronnischen Vogte die schul-
dige Erbhuldigung vor sich und in Nahmen ihrer gantzen Gemein-
den thuen solten, angezaigt worden etcetera. Warauf sie einen Abtritt
zu nemmen gebetten26, und alß ihnen solcher gestattet, nochmals
durch ihren zue sich gezogenen Beystandt fürbringen laßen; sie
hetten dennjenigen fürstlichen gnädigen Bevelch, welcher ihnen vorge-
leßen, auch waß ihnen sonsten mundtlich vorgehaltten worden,
gnugsam verstanden, woltten auch demselben allem gern und
willig gehorsamen. Weilen aber durch gesterigs Tags vom Clo-
ster Maullbronn an alle Fleckhen abgangenes Schreiben ihnen
zum heftigsten mit Beyfahung, Straf deß Meinaydtz und anderm
getröwet und nit  zu erscheinen gebotten worden, alß hetten
sie underthenig und ufs allerhechst ihrer allein solang mit der
Erbhuldigung zu verschonen, biß die übrige Schultheißen und Abge-
ordnete auß dem Ambt auch erscheinen, alßdann sie neben
dennselbigen gern die Huldigungsgelübdt erstatten woltten.

Hierüber sein der Vogt zue Vayhingen und ich neben dem Pfarrherr
zue Horrheim27 ihnen beweglich begegnet, sie hetten sich uf der
außgeblibenen Ungehorsam im geringsten nit und ebenso wenig
auf der Innhaber deß Closters Maulbronn Betrohungen zu heben,
oder deßwegen Außflücht zu suchen. Sintemal doch, die noch nit
erschinene sich zue schuldigem Gehorsam gegen ihren angebohrnen
natürlichen Landtzfürsten und Herrn accommodiren28 oder ein
anders gewerttig werden sein müeßen. Und laße Euer Fürstliche
Gnaden ihnen darneben gnädig durch mich anzaigen, daß selbige
gerueheten sie wider allen diß Orths befahrenden unrechten Gewalt
gnädig zu schützen etcetera. Warauff sie dann endtlich herbeygegangen und
der Schultheiß zue Flacht29, Martin Hennich, mit Angloben an denn
Gerichtzstab denn Anfang gemacht. Deme die andere Anwesende alle
gevolgt und die gewohnliche Erbhuldigung mit leiblichem Aydt un-
derthenig und gebührendt erstattet haben. Darnach haben sie
abermahl ufs Hechst gebetten, daß mann sie doch wider der
Closters Innhabere betrohenliches Beginnen gnädig schutzen, auch
ihnen, weil ihrer ettlich gar crafftloß30 und weitt heim het-
ten, auß Gnaden einen Trunckh und Brodt, wie sonsten bey der-
gleichen actibus31 herkhommen, raichen laßen wolle. Denen ich dann
mit Guetachten hießigen Vogtz, obwolen ohne Euer Fürstliche Gnaden Be-
velch, jedoch wegen allerhandt Consideration32 uf 20 Personen
zwei Imi33 Wein auß Euer Fürstliche Gnaden Ambtzkeller und sechß Laib
Broth geben laßen. Deßen sie sich underthenig bedanckht haben.

Weyl dann, wie eingangs vermeldet, durch denn Schulthaißen zue
Lientzingen fünf Außschreiben wider zueruckgejagt worden,
alß hat der Vogt zue Vayhingen solche neben newen beweglich-
en und mehr ernstlichen Außschreiben an alle übrige außgeblibene
de novo34 ablauffen laßen. Warüber dann gesterigs Tags, denn
7. Junii, die im Protocoll Numero 3 sub litera B. mit Nahmen ver-
zaichnete, und heütt, Sambstags, denn 8. dito35 die sub litera C.
benambste erschinen und gleichfals alle mit geschwornem leib-
lichen Aydt (ohne sonderliche Einwendung, allein daß sie die
Maulbronnische Betrohungen und deren Execution36 schröckhlich
förchteten und derowegen sie wider dieselbige handtzuhaben
hechst flehentlich betten) die Erbhuldigung auch underthenig
praestirt37 und uf Anhaltten ebenmäßig einen Trunckh und
Broth gegen undertheniger Danckhsagung empfangen haben etcetera.
Daß demnach allein noch 5 Örther38 übrig, so nit gehuldigt, deren be-
harrlicher Ungehorsam, Endtschuldigung oder noch Erscheinung
zu erwartten stehet.

Ob nun wol, gnädiger Fürst und Herr, ich ferrner gnädig
instruirt39 geweßen, nach verrichtetem Erbhuldigungsactum40
mich doch mit zeittiger Vorberathung Euer Fürstlicher Gnaden anderer
Beambten, ohne befahrenden Schimpf entgegen Euer Fürstlicher Gnaden
hohen Autorität und Reputation, bey denen Innhabern deß Clo-
sters anzumelden und ihnen Euer Fürstliche Gnaden gnädige, zumahlen
begrundete Intention41 zu verstehen zu geben etcetera. So haben doch
vorgedachte Euer Fürstliche Gnaden Beambte und ich solches vor dißmal
nit für rathsam fünden künnen, auß Ursachen und Befahrung, die
theilß inn den Numero 4 beygelegtem Protocoll über die under
wehrender Huldigung42 vorgegangenen Attentaten und Betrohung
befindtlich sein. Sondern wür seyen der Meinung geweßen, es wurden
underdeßen die Clostersinnhabere jemanden alhero geschickht,
mich auß waß Ursach die Erbhuldigung vorgenommen befragt,
oder sonsten etwan protestirt haben. Weilen aber deren kheines be-
schehen, habe bey hocherleücht Euer Fürstliche Gnaden ich mich hiermit
underthenig fernern gnädigen Beschaidtz erholen wollen, weßen
ich mich bey dißem Pass43 ferrner zu verhaltten, ob ich ihnen,
waß mir mundtlich anzuedingen committirt44 geweßen, villeicht in
Schrifften anfüegen oder wie ich es sonsten beybringen solle?

Und weiln schließlichen bey dem gantzen Verlauff an denen armen
Underthonen eine sonderbare Forcht wegen der Pfaffen so hoher
Betrohungen und daß solche sowol über ihre Person, alß zue
bevorstehender Erndt mit angetroheter Abnamb der Früch-
ten zu Werckh gerichtet werden mechten, verspürth worden,
auch ich neben andern Beampten dißer Orthen kheine Mittell
sehe oder habe, wie solche Minae45 bevorab, da wie verlautten
will die Innhabere mit Gewalt zufahren wolten, zu verwehren
und abzutreiben. Alß habe auch dißfallß von Euer Fürstlichen Gnaden
gnädig ich mich beschaiden46 laßen wollen, wie weit ich auch mit
waß Leüthen, weil hießige und benachbarte Burger darzu
eintweder nit taugenlich oder nit zu vermögen, wider solchen
Gewaltt gehen und denen armen Underthonen beyspringen
solle.

Endtlichen weiln ich in Erfahrung gebracht, daß der innhabere
Principal adhaerent47 Auffwickhler und Rädelßführern, Hanß
Siedler, Schulthaiß zue Lientzingen, sich auß dem Staub und
nacher Bretthaim48 gemacht, habe ich alles daßjenige, waß
mann mir angezaigt, daß er alhie bey Georg Friderich Weiß-
brodten an Schulden, Barschafft und anderm stehen gehabt, biß
uf Euer Fürstlicher Gnaden weittern gnädigen Bevelch, waß mit ihme
vorzunemmen, in Arrest gelegt. Und will auch seinem übrigen,
so er hin und wider im Ambt haben mechte, ferrner nach-
fragen und darmit ebenmäßig procediren49.

Habe Euer Fürstliche Gnaden anstatt undertheniger Relation meiner
Verrichtung, ich gehorsamlich nit verhaltten und gnädiger
Resolution erwartten, ob der allhießige Vogt Anß-
helm Rieger die zur Huldigung hergegebene vier Imi Wein
und für 2 [Gulden] Broth sambt demjenigen, so ich in Zeit weh-
render Huldigung im Würthshauß an Zehrung gewendet,
amptzhalben verrechnen, oder solches von deß widerspenstigen
Lientzingischen Schulthaißen alhie habenden arrestirten50 Sachen
bezaltt werden soll. Deroselben zue fernern Fürstlichen
Gnadenhulden mich ebenmäßig bevehlen sollen etcetera. Datum
Vayhingen, denn 8. Junii anno 1639.

Euer Fürstlichen Gnaden

unterthäniger
gehorsamer

Vogt zue Maulbronn
Christian Heroldt.


1 Stadt Maulbronn PF.

2 Heroldt, Christian, (Unter-)Vogt zu Maulbronn 1639/40 (Pfeilsticker, Walther: Neues Württembergisches Dienerbuch. Band 2, Stuttgart 1963, § 2605).

3 Stadt Vaihingen an der Enz LB.

4 Lienzingen, Stadt Mühlacker PF.

5  Sidler, Hans, Schultheiß in Lienzingen von 1635–1661 (Pfeilsticker, Walther: Neues Württembergisches Dienerbuch. Band 2, Stuttgart 1963, § 2612).

6 Stadt Bretten KA.

7 Bedeutung: „sein … zuvor“ = sei … versichert.

8 Bedeutung: „Relation“ = Verbundenheit, Verpflichtung.

9 Lat. = Anweisung, Anordnung.

10 Stadt Winnenden WN.

11 Rieger, Anselm, 1591–1640), 1635–1639/40 (Unter-)Vogt zu Vaihingen a. d. Enz (Pfeilsticker, Walther: Neues Württembergisches Dienerbuch. Band 2, Stuttgart 1963, § 2991).

12 Bedeutung: „Commission“ = Befugnis, Vollmacht, Amtsanweisung.

13 Bedeutung: „Fleckhen“ = Dorf, Ortschaft.

14 Bedeutung: „Außschutzen“ = ausgewählte Personen, die im Auftrag von anderen zu handeln befugt sind; (Orts-)Vertreter.

15 Bedeutung: „außrichtsam“ = mit der Übermittlung (einer Nachricht) beauftragt.

16 Lat. = zurückgehen lassend; hier: Rückantworten.

17 Schmie, Stadt Maulbronn PF.

18 Freudenstein-Hohenklingen, Stadt Knittlingen PF.

19 Ölbronn, Gde. Ölbronn-Dürrn PF.

20 Stadt Knittlingen PF.

21 Bedeutung: „Zeddul“ = Zettel, Brief.

22 Diefenbach, Gde. Sternenfels PF.

23 Ötisheim PF.

24 Bedeutung: „hinderschlechtig und zweifelig“ = nachhaltig verunsichert.

25 Lat. = unter Buchstabe (A.).

26 Bedeutung: „einen Abtritt zu nemmen gebetten“ = um einen Aufschub gebeten haben.

27 Horrheim, Stadt Vaihingen an der Enz LB.

28 Bedeutung: „accommodiren“ = sich mit jemandem über etwas einigen.

29 Flacht, Gde. Weissach BB.

30 Bedeutung: „crafftloß“ = ausgezehrt, hungrig.

31 Lat. = Handlungen; hier: Veranstaltungen.

32 Lat. = Bedenken; hier: Bedarf.

33 Altwürttembergisches Hohlmaß (ca. 17–19 Liter).

34 Lat. = von Neuem, erneut.

35 Lat. = ebenfalls, ebenso.

36 Lat. = Ausführung, Vollstreckung.

37 Bedeutung: „praestiren“ = etw. leisten, zustande bringen; den Verpflichtungen nachkommen.

38 Bedeutung: „Örther“ = Ortschaften, Gemeinden. Tatsächlich erschien nur aus 4 Ortschaften (Lienzingen, Diefenbach, Freudenstein und Wiernsheim) kein Vertreter.

39 Lat. = angewiesen.

40 Bedeutung: „Erbhuldigungsactum“ = Abhaltung/Durchführung der Erbhuldigung.

41 Lat. = Absicht.

42 Bedeutung: „under wehrender Huldigung“ = die Huldigung abwehrende(n)/verweigernde(n).

43 Bedeutung: „bey dißem Pass“ = in diesem Fall, in diesem Zusammenhang.

44 Bedeutung: „commitiren“ = beauftragen.

45 Lat. = Bedrohungen.

46 Bedeutung: „beschaiden“ = unterrichten, anweisen.

47 Bedeutung: „der innhabere Principal adhaerent“ = der den betreffenden Oberhäuptern anhängende (Aufwiegler …).

48 Stadt Bretten KA.

49 Lat. = verfahren, umgehen.

50 Bedeutung: „arrestirten“ = beschlagnahmten.

Quelle Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 502 Bü 56
Die Wiedergabe der Transkription folgt der Originalquelle buchstaben- und zeilengetreu.